Text: Katharina Piszczan, Fotos: Berthold Litjes
Gibt es etwas Schöneres, als wenn wir das, was wir tun, auch fühlen? Uns darin wiederfinden, uns darüber definieren? 100 % zu dem stehen, was man(n) tut, ist nicht immer einfach, sondern eine Sache des Herzens. Wir haben in drei Berufsseelen geblickt und uns erklären lassen, warum nicht immer Sinn & Verstand der Motor unseres Handelns sein müssen und diese Männer ihren Job voller Überzeugung leben.
"MIR IST DIE LEBENSGEFAHR BEWUSST"
REPTILIENPFLEGER AUS WUPPERTAL
Der Biss einer Klapperschlange kostete ihn fast sein Leben – dennoch gab Christian Driesen seinen Job als Reptilienpfleger nicht auf. Auch privat lebt er seine Leidenschaft in vollen Zügen aus, züchtete zeitweise bis zu 140 Giftschlangen, 400 Vogelspinnen sowie Skorpione. Wir haben den Schlangenfan im Wuppertaler Zoo besucht und von seiner Begeisterung für Reptilien erzählen lassen.
REPTILIEN SIND DIE COOLEREN TIERE
Mit gerade mal neun Jahren hat Christian Driesen seine erste Schlange bekommen: „Ein Kumpel von mir hatte eine Schlange. Er war auf einmal der Coolste, alle haben ihn besucht, wollten die Schlange sehen. Da wollte ich natürlich auch eine haben.“ Mit Zwölf kamen dann Vogelspinnen und Skorpione hinzu, mit 14 nannte er dann bereits etwa 400 Tiere sein Eigen. Seine Eltern standen seiner ungewöhnlichen Tier-Neigung damals glücklicherweise nicht im Wege: „Alles, was in meinem Zimmer blieb, war in Ordnung, es sollte nur alles Ausbruch-sicher sein und möglichst nicht zu giftig.“ In kleinen Terrarien, bis zur Decke gestapelt, wusste der begeisterte Tier-Sammler die Platzfrage geschickt zu lösen. Dass es sich bei Christian um pure Leidenschaft zum Tier handelt, dürfte spätestens jetzt offensichtlich sein. Von sämtlichen Tierarten standen dabei Reptilien schon immer im Fokus: „Weil es die cooleren Tiere sind. Am Anfang hat sich meine Neigung zu den Tieren auch entwickelt, um beim anderen Geschlecht Eindruck zu schinden. Klar, wenn man eine coole Spinne zu Hause hat, dann hebt man sich so ein bisschen von der Masse ab.“ Letztendlich ist seine Liebe für Reptilien und die Intensität, mit der er sein Hobby auslebt, aber eine Sache, die er nur für sich macht.
EMOTIONALE VERBINDUNG ZUM TIER
Natürlich lag sein beruflicher Werdegang klar auf der Hand: Christian absolvierte eine Ausbildung zum Zootierpfleger, tourte durch unterschiedliche Zoo’s, in denen er die Arbeit mit verschiedenen Tierarten kennenlernte. Sein Hauptaugenmerk blieb jedoch zweifelsohne auf Giftschlangen gerichtet, sodass Christian 2013 mit seiner Arbeit im Wuppertaler Zoo als Reptilienpfleger begann. Hier fühlt er sich wohl, hat Spaß an seiner Arbeit – das Tierwohl und die Pflege der Terrarien gehören zu seinen Hauptaufgaben, aber auch der Besucher-Kontakt macht ihm besonders Freude. Dieser gibt ihm die Gelegenheit den Menschen die Scheu und Angst vor der Tierart zu nehmen: „Ein Schild alleine, wo der Name der Tiere drauf steht, befriedigt die Leute nicht. Mit einem Gespräch, in dem ich etwas über die Eigenheiten der Tiere erzähle, verknüpfe ich den Besucher auch emotional mit dem Tier. Er soll sich nicht mehr vor den Tieren ekeln. Gerade die Kinder werden oftmals von ihren Eltern vorgeprägt, die ihre eigene Angst auf die Kinder übertragen. Da versuche ich gegenzuarbeiten.“
VON EINER KLAPPERSCHLANGE GEBISSEN
Dass sein Job auch nicht ganz ungefährlich ist, beweist ein Erlebnis während Christians Beschäftigung im Rheinberger Zoo, als den 35-jährigen der Biss einer Klapperschlange in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzte. Ein Anti-Serum rettete ihm damals sein Leben. „Unachtsamkeit“, erzählt Christian, führte damals zum Unfall: „Drei Klapperschlangen – ein Terrarium, ich habe die Distanz falsch eingeschätzt, habe rein gegriffen und die Schlange war dann doch länger, als ich gedacht habe.“ Überraschend kam dieser Vorfall für Christian nicht: „Ich bin jetzt nicht so überheblich, dass ich sage ‚Mir passiert sowas nie‘, sondern mir war klar, dass ich irgendwann von einer Giftschlange gebissen werde. Ich arbeite jetzt seit 15 Jahren mit Giftschlangen – und gerade im Terra Zoo habe ich an manchen Tagen über 200 Giftschlangen bewegt, teilweise fixiert. Die Statistik spricht schon dagegen, dass man das ein Leben lang macht, ohne gebissen zu werden. Also war mir schon vollkommen klar, dass mir das irgendwann passiert.“ Aufhören mit seinem Job? Das war undenkbar für den Wuppertaler: „Ich nehme das Risiko daran zu sterben in Kauf. Ich habe das schon mit mir im Vorfeld ausgemacht.“
EIN GEFÜHL DES THRILLS?
Bei dem Risiko, dem Christian tagtäglich ausgesetzt ist, fragen wir ihn, ob ihn das Gefühl des Thrills reizen würde: „Am Anfang schon. Wenn man die erste Giftschlange zu Hause hat oder das erste Mal im Zoo händelt, ist man natürlich Schweiß-gebadet, hat einen Puls von 200, aber das lässt nach. Also mittlerweile bin ich da ganz tiefenentspannt. Ich kann große Mambas bewegen ohne, dass ich Schnappatmung kriege.“ Vielmehr könnte man das Gefühl bekommen, dass ihn die Arbeit mit seinen Tieren überhaupt erst atmen lässt. In seiner Duisburger Wohnung besaß er zeitweise 140 Giftschlangen, die er in einem eigenen 30 m² großen Raum beherbergte. Heute sind es deutlich weniger. Ein Gesetz, dass in naher Zukunft die private Haltung von Schlangen verbieten wird, führte dazu, dass Christian seine Tiere nach und nach reduziert. In seiner Freizeit powert sich der Wuppertaler im Fitnessstudio aus, ansonsten dreht sich aber für ihn alles rund um das Thema Tiere: „Wenn ich dann mal ein Wochenende frei habe, reise ich auch viel in andere Zoos, lese viel über Schlangen.“ Sein Umfeld hat sich an die – sagen wir mal, recht ausgefallene – Leidenschaft gewöhnt, auch wenn kritische Kommentare nicht ausbleiben: „Das ist bekloppt, dass man so ein Risiko eingeht.“ Für Christian selbst tritt sein Hobby nicht so sehr aus der Reihe: „Der Eine fährt gerne Motorrad und geht damit genauso ein Risiko ein. Mein Hobby wirkt von außen vielleicht ein bisschen exotischer. Aber im Grunde ist es dasselbe. Es gibt so viele Hobbys, die Lebensgefahren bergen. Ich bin der Schlangenfreak und alle wissen das.“
„ICH WERDE IN DIE FRAUENNISCHE GEDRÄNGT“
ERZIEHER AUS WIPPERFÜHRT
Basteln, Kekse backen und mit Kindern spielen… Reine Frauensache? Warum sollte sich nicht auch ein Mann in dieser Rollenvorstellung wiederfinden? Oder wollen diese nur den Handwerker und Fußballer in sich ausleben? Wir haben Michael Kilian, einen der seltenen männlichen Erzieher einer KITA in Deutschland, bei seiner Arbeit besucht und ihn gefragt, wie er sich in seinem Beruf fühlt.
GEFANGEN IN EINEM KLISCHEE
„Natürlich bin ich total in der Minderheit, das ist mir klar.“ Und dennoch hat Michael Kilian keine Scheu gehabt seinen Wunschberuf auszuleben: Er arbeitet als Erzieher in der KITA Don Bosco in Wipperfürth. „Ganz einfach, weil es ein toller Beruf ist“, erzählt uns der 28-jährige. Nach seinem Fachabitur im sozialen Gesundheitswesen hat er bei Don Bosco ein Praktikum gemacht, und dann wieder, und wieder und wieder und weil es ihm so gut gefiel, ist er dort einfach mal geblieben. Schon ein etwas ungewöhnlicher Beruf für einen Mann, so auf den ersten Blick, oder? „Das Gesamtpaket hat einfach so toll gepasst. Wenn der Beruf nur aus Basteln bestehen würde, wie das so oft dargestellt wird, da hätte ich diesen Beruf nie ausgeübt, ich hätte das auch nie gekonnt. Nach und nach ist dann aber klarer geworden, dass ich auch meine eigenen Stärken mit einbringen kann.“ Die Klischeehaftigkeit eines Rollenverständnisses hat sich am Anfang für den Erzieher ganz extrem bemerkbar gemacht: „Da wurden diese ganzen Männer-lastigen Sachen von mir erwartet. Aber gepaart mit den ganzen Sachen, die Frauen auch machen. Von mir wurde also erwartet, dass ich handwerke, dass ich Sport mache, dann auch bastle und nichts ausfallen lasse. Dann habe ich gesagt: Ich gehe auch basteln, ich mache auch die anderen Tätigkeiten, die von mir erwartet werden, die ich nicht so gut kann, daraufhin müsst Ihr aber auch mal handwerken, müsst mal mit Fußball spielen“, sodass er sich dieser Klischeehaftigkeit nach und nach entledigte.
EIN WENIG MÄNNLICHE LEBENSART
Nicht bloß das Rollenverständnis zeigt sich als besonderer Faktor seines Berufes, sondern auch sein Arbeitsumfeld ist erwartender Weise auch nicht ohne – nicht ohne Frauen! Mit insgesamt 17 Frauen ist sein Kollegium sehr feminin gespickt, was für Michael als einzigen Mann aber auch kein Problem darstellt: „Das habe ich schon in der Ausbildung gemerkt, dass das mit Frauen in der Gruppe oftmals ein bisschen anstrengender ist und da bin ich schon abgehärtet.“ Dem Geschlechteraustausch gewinnt er stets etwas Positives ab: Zum einen kann er den Kindern bei ihrer Entwicklung eine Werte-Vielfalt mitgeben und zum anderen kommt es der Teambildung zugute: „Ich bin etwas positiver und optimistischer. Wir Männer gehen das alles so ein bisschen lockerer an, machen jetzt nicht aus allem ein großes Problem, sind ein bisschen ruhiger und sammeln uns dann eher mal.“ Auf meine Frage, was die Kinder der männlichen Umgangsweise abgewinnen können, antwortet mir Michael: „Ob wir jetzt thematisch die Sachen anders angehen, weiß ich nicht, aber vielleicht manchmal etwas einfacher und nicht so in der Fülle, also ich bin dann doch eher kompakter und versuche das ein bisschen mehr auf den Punkt zu bringen. Ich glaube also so ein bisschen von der Lebensart.“
EIN WENIG MÄNNLICHE LEBENSART
Nicht bloß das Rollenverständnis zeigt sich als besonderer Faktor seines Berufes, sondern auch sein Arbeitsumfeld ist erwartender Weise auch nicht ohne – nicht ohne Frauen! Mit insgesamt 17 Frauen ist sein Kollegium sehr feminin gespickt, was für Michael als einzigen Mann aber auch kein Problem darstellt: „Das habe ich schon in der Ausbildung gemerkt, dass das mit Frauen in der Gruppe oftmals ein bisschen anstrengender ist und da bin ich schon abgehärtet.“ Dem Geschlechteraustausch gewinnt er stets etwas Positives ab: Zum einen kann er den Kindern bei ihrer Entwicklung eine Werte-Vielfalt mitgeben und zum anderen kommt es der Teambildung zugute: „Ich bin etwas positiver und optimistischer. Wir Männer gehen das alles so ein bisschen lockerer an, machen jetzt nicht aus allem ein großes Problem, sind ein bisschen ruhiger und sammeln uns dann eher mal.“ Auf meine Frage, was die Kinder der männlichen Umgangsweise abgewinnen können, antwortet mir Michael: „Ob wir jetzt thematisch die Sachen anders angehen, weiß ich nicht, aber vielleicht manchmal etwas einfacher und nicht so in der Fülle, also ich bin dann doch eher kompakter und versuche das ein bisschen mehr auf den Punkt zu bringen. Ich glaube also so ein bisschen von der Lebensart.“
Dennoch beherrscht er den Spagat zwischen seiner autoritären Funktion sowie der eines Spielkumpanen: „Ich lasse den Kindern schon ihre Freiheit, aber die kennen bei mir auch ihre Grenzen, bei mir reicht auch manchmal schon ein Blick.“ Die 22 Kinder in seiner Gruppe sind der Hauptgrund, warum Michael jeden Tag gerne in die KITA geht und von seiner Arbeit begeistert ist: „Deren Charaktereigenschaften, die Ehrlichkeit find ich ganz klasse. Sie reden immer unbelastet und frei, haben keine Probleme wie die Großen. Da ich Herr der eigenen Lage bin, kann ich den Kindern nah bringen, was ich für richtig halte und ich glaube nicht, dass es Berufe gibt, bei denen man so viele Freiheiten hat. Es ist sehr facettenreich. Ich bin auf keinen Fall einer, der den ganzen Tag an der Maschine stehen oder nur im Büro sitzen würde.“
100 % HINTER SEINER BERUFUNG STEHEN
Michael Kilian ist nur in Männergruppen groß geworden – vom Fußball her. Natürlich hat er sich zu Beginn Gedanken gemacht, wie seine Berufswahl von seinem Umfeld aufgefasst wird. Aber sowohl Familie als auch Freunde haben ihn dabei stets positiv gegenüber gestanden, sodass sich sein Job nie „komisch“ für ihn anfühlte. Die Konfrontation mit dem Klischee-Gedanken ist also nicht aus seinem persönlichen Empfinden entsprungen, sondern vorgefertigte Gesellschaftsvorstellungen haben diesen an ihn herangetragen. Auch in seinem fünften Jahr steht er immer noch 100 % zu seinem Beruf: „Natürlich kriegt man ein paar Sprüche, aber da kann ich sehr gut drüber stehen, weiß auch zu kontern. Ich glaube dieser Beruf hat eine große Zukunft vor sich.“
DIE KINDER FÜHLEN KEINEN UNTERSCHIED
Er selbst hat den Traum in der Zukunft einen eigenen Kindergarten leiten zu können. Um diesen zu realisieren, macht der Erzieher derzeit an der Abendschule eine Ausbildung zum Sozialmanager. Seine soziale Ader war schon immer da, sagt er, und diese bleibt natürlich auch beim weiblichen Geschlecht nicht unbemerkt: „Als Erzieher muss man ja ein lieber Mensch sein“, lacht er. Privat ist er ständig auf Achse, ob mit Freunden oder Freundin. Nur seine Wochenendplanung musste der Wipperfürther ein bisschen umstellen: „Wir wissen es beim Fußball immer gut zu feiern, da hab ich jetzt ein bisschen zurückgedrosselt.“
Seine Kraft hebt er sich aber gerne für seine Kinder auf, denn die lassen ihn die Klischeehaftigkeit nicht spüren: „Da hab ich noch nie gehört ‚Oh ein Mann‘, die nehmen mich optisch anders wahr, von der Statur bin ich größer, breiter, auch von der Stimme her, vom Erscheinungsbild. Aber die merken auch, dass die zu mir kuscheln und auf meinen Arm kommen können. Also die nehmen mich schon anders wahr. Aber das find ich auch gut, nicht unbedingt positiver, aber schön anders.“
„DAS IST ABSOLUTE SEELENMASSAGE“
GÄSTEFÜHRER AUS BOCHUM
Was passiert, wenn einen Menschen eine einzige Aufgabe im Leben nicht erfüllt? Wenn Norm und Konvention nicht das Richtige sind? Ganz einfach: Man(n) lebt aus dem Bauch heraus, genauso wie Joachim Michaelis. Etwas verrückt, etwas bunt, aber keinesfalls langweilig.
UNTER DIE TAGE ÜBER DIE TAGE KOMMEN
Von Haus aus ist Joachim Michaelis Diplom-Ingenieur, hat Bergbau studiert und in mehreren Bergwerken unter Tage gearbeitet. Ein recht "normaler" Ablauf – bis der Bochumer 40 wurde. Den Bergbau im Abschwung vor den Augen, kehrte Joachim seiner Arbeit den Rücken zu und wagte den Sprung ins Ungewisse, machte sich mit einem Spezialbetrieb für Hochdruckluftbefeuchtung selbstständig. Sinnvoller wäre es wahrscheinlich gewesen bei der Ruhrkohle zu bleiben, dann wäre Joachim jetzt Rentner – aber „sinnvoll“ war nicht das, was ihn bei seinem Tun antrieb, ihn ausfüllte: „Ich habe auch nicht immer den sicheren Weg gesucht, sondern den spannenden.“
Nicht verwunderlich also, dass ein solcher Lebemann aus dem Bauch heraus umsetzt, was ihm gefällt und in den Sinn kommt. So war auch sein Weg zum Zollverein von einem spontanen Impuls getrieben, den ein Urlaub auf Sylt auslöste. Bei einer Gästeführung war sein erster Gedanke: „Das finde ich toll, das will ich auch machen.“ Kenntnisse über seine Heimat besaß er bereits, eine Ausbildung zum Gästeführer folgte ohne Umschweife. Als dann 2009 die Stiftung Zollverein eine Stelle zu vergeben hatte, ergriff der frisch gebackene Gästeführer die Chance, und mischte fortan in der Kulturhauptstadt ordentlich mit.
FÜR ZUM MITFAHREN
Mit 50 kam Joachim dann noch auf den Trichter einen alten Autobus zu kaufen und Gästeführungen der besonderen Art anzubieten. Was Joachim von normalen Gästeführern unterscheidet ist, dass er ortsübergreifend fahren kann. Seine Passagiere buchen ihn blind (diesen ist das Ziel nämlich unbekannt) und dann geht’s zu interessanten oder auch skurillen Orten, quer durch NRW. Ob eine Schimanski Tour zu Film-Schauplätzen oder zum Alsumer Berg, jede Tour hat etwas Spezielles. So verwundert es auch nicht, dass Joachim ganz gern mal mit seinem Bus auf die Schleuse Herne-Ost fährt und damit den Schleusenwärter regelmäßig zum Schwitzen bringt: „Das ist eine befahrbare Straße und da braucht man so ein bisschen Fahrkunst, auch ein bisschen Mut, um mich mit meinem Bus dort hinauf zu schwingen. Auf diese Weise kann man in die Schleusenkammer gucken und sehen wie sich das Schiff absenkt. Da fahren normale Busunternehmer nie und nimmer hin.“ Deshalb legt Joachim bei seinen Führungen besonderen Wert darauf, Schauplätze anzufahren, die der übliche Ruhr-
Tourismus nicht erreicht.
EIN GIVEAWAY WIRD ZUR MARKE
Eigentlich war Joachim, nachdem er mit Kugelschreibern auf die Nase gefallen war, nur auf der Suche nach einem alternativen Werbegeschenk für seine Firma: „Ich wollte mir etwas ausdenken, was zur Region passt. Die erste Idee war – woran denken Menschen aus dem Ruhrgebiet? – Currywurst.“ Da man diese jetzt schlecht verschicken kann, und fertige Mikrowellenwurst zu aufwendig war, blieb ja nur eine Sauce über. Diese hat Joachim dann erst einmal allein in der Küche gebruzzelt, die Ur-Sauce sozusagen. Mit Hilfe von Profis wurde daraus eine richtige Sauce, die er heute als „Joachims Bochumer Currywurst Sauce“ unter die Leute bringt, sein drittes Standbein quasi. „Die bekloppteste Idee“ sagen die Kunden, sind gleichzeitig restlos begeistert, beim Ruhrfestival Bochum war zur Halbzeit alles weg, sodass in der Nacht sogar nachproduziert werden musste. Als eine der wenigen heiß gerührten Saucen, besitzt sie eine Haltbarkeit von zwölf Monaten, ist frei von Konservierungsstoffen und auch noch vegan, worauf Joachim Wert gelegt hat: „Ich habe mich gefragt, warum vegan-lebende Menschen, nicht eine Currywurst essen können sollen.“
SEELENMASSAGE
Bei dem bunten Aufgaben-Potpourri fragen wir den Bochumer, welche sich für ihn am schönsten anfühlt: „Joachims“, antwortet er prompt, weil es ein Paket aus Gästeführungen und der Sauce ist, das ihn geradezu beflügelt: „Da hängt natürlich mein Herz dran, weil das meine eigene Marke ist. Meine Firma habe ich von einer Abfindung gekauft, das ist ein Industrieprodukt und das kann man gar nicht miteinander vergleichen. Joachim’s ist…Joachim bin ich, das hat eine Seele.“ Nicht zuletzt geht ihm das Herz auch bei seinen Gästeführungen auf: „Das ist eine tolle Abwechslung zu dem, was ich sonst so mache. Also wenn Sie in der technischen Welt leben, dann ist das doch schon sehr abgeklärt, emotionslos. Was mir eigentlich geglückt ist, ist eben diese Verbindung aus Technik und dem Menschlichen. Wenn ich mit einem Bus fahre, dann weiß ich auch, dass ich mich um dieses Auto technisch kümmern muss. Ich muss aber in gleicher Weise dem Menschen im Bus auch eine Veranstaltung, einen schönen Tag bieten, ich muss menschlich rüberkommen. Das Gleiche gilt für die Gästeführung, da können Sie nicht einfach daher gehen und die ganze Zeit irgendwelche Zahlen abspulen. So werden Sie schnell sehen, wie die Gesichter länger werden.“ Wenn Joachim dann nach seinen Führungen Applaus bekommt, ist das der schönste Lohn, den er für seine Arbeit bekommen kann: „Hätte ich nie gedacht. Wenn Sie vor so einer Gruppe stehen, dann können Sie auch in die Gesichter gucken und man reflektiert sofort, ob Sie gut sind oder schlecht. Es ist wie bei einem Künstler auf der Bühne. Wenn man eine gute Gästeführung macht und die Leute in seinen Bann ziehen kann, ist das mit einer Performance vergleichbar, ein bisschen ‚Schauspieler sein‘. Das ist viel wichtiger, als dafür Geld zu bekommen und absolute Seelenmassage.“
OHNE FRAUEN GEHT NICHTS
„Ich bin mit Leib und Seele Ingenieur, ich lebe das, aber manchmal bin ich auch so ein bisschen künstlerisch.“ Und da Künstler bekannterweise etwas zum Chaos neigen, mag man es Joachim da verübeln, dass jemand den Überblick behalten muss? Mit Computern auf Kriegsfuß freut er sich über weibliche Unterstützung im Backoffice: „Sie brauchen als Mann im Background auch immer Frauen. Ich finde Frauen total wichtig, ohne geht nichts. Das hab ich auch sehr früh im Beruf kennengelernt, dass Frauen für die Struktur im Leben unendlich wichtig sind.“ Trotz Strukturhilfe, fragen wir, ob es denn auch mal Tage gibt, an denen es selbst dem Workaholic zu viel wird: „Die hab ich durchaus, dass es dann schon mal an die Grenze geht. Manchmal läuft der Bottich auch einfach über. Den Tribut, den es zollt, ist, dass Mitmenschen im nahen Umkreis schon zu kurz kommen. Aber dann überkommt es mich wieder, es ist vielleicht die Sucht danach jeden Tag was Neues zu erleben. Ich glaub mein ganzes Leben war so.“ Joachim existiert aber auch privat, dann kümmert er sich um seine 14-jährige Tochter, bringt sie zum Schwimmtraining oder geht als langjähriges Mitglied des VFL Bochums mit seinem Freund Alfred sehr gerne zum Fußball. Irgendwann mal aufhören? Kommt für Joachim auf keinen Fall in Frage: „Also ich bin totaler Gegner von Rente. Dazu habe ich noch zu viele Ideen. Ich hoffe, dass meine Beine mich noch lange tragen. Zollverein ist schon eine tolle Aufgabe und das möchte ich noch möglichst lange machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwann aufhört. Wahrscheinlich kipp ich irgendwann tot um.“ Ihn zu einem privaten Termin zu bekommen, ist schwierig. In Wanne-Eickel geboren, wohnt der 58-jährige mittlerweile schön ländlich in Bochum. Tatsächlich schafft es Joachim auch mal in den Urlaub zu fliegen, dann sind es die Kanaren, die ihn faszinieren: „Teneriffa ist meine Lieblingsinsel. Also die Kanaren finde ich schon toll. Die sind auch facetten-reich, vielleicht passen die deshalb zu mir.“ Seinen Ausgleich bei all dem Stress findet er im Tanz, genauer: Wenn er eine Tango-Milonga besucht: „Da gehen alle hin, um für ein paar Stunden abzuschalten. Das ist wie Meditation. Man trifft sich im Tanz und geht dann wieder. Das ist das, was ich sehr schätze, weil Sie wirklich vergessen, was sonst so läuft. Das ist auch ein Teil Joachim.“ Sein Umfeld findet seine Persönlichkeit spannend und interessant, einige Andere dagegen sagen: „Der hat nicht alle Latten am Zaun.“ Joachim versteht das: „Es ist schon sehr schräg. Ich habe aber ein sehr ausgefülltes Leben.“