Interview und Fotos: Ingo Kabutz
Der Dortmunder Ballettdirektor Xin Peng Wang begründet seit 2004 den auch international beispiellosen Aufstieg des Dortmunder Balletts. Der ist auch begründet durch die von Xin Peng Wang gegründete NRW Ballett Junior Academy. Im exklusiven PURE LEBENSLUST Interview beschreibt er die Entwicklungslinien und Perspektiven.
Bei seiner Dortmunder Inszenierung „Der Zauberberg" ist Xin Peng Wang das Wagnis eingegangen, der Wortgewalt des Jahrhundertromans „Der Zauberberg" eine Tanzsprache entgegenzusetzen, die die dekadent-morbide Atmosphäre der Heilanstalt ebenso fühlbar macht, wie die historische Wendezeit, in der die literarische Vorlage angesiedelt ist. Das Ballett „Der Zauberberg" wird in einer Wiederauflage in Dortmund aufgeführt.
Mit der Gründung der NRW Junior Academy durch Xin Peng Wang ist Dortmund inzwischen ein interna-tional beachteter Knotenpunkt für hochbegabten Ballettnachwuchs. Jährlich können zwölf Tänzerinnen und Tänzern aufgenommen werden. Allerdings bewerben sich jeweils ca. 3.000. Sie sind bereits fertig, professionell ausgebildet und erhalten in Dortmund ihren letzten Schliff. Kein Wunder, dass die Welt auf die Dortmunder Jugend Academy schaut, wenn es um die besten Nachwuchstänzer geht.
Es war ein Zufall, dass ich von Anfang an im Ruhrgebiet gelebt habe. Ich kam von China nach Deutschland direkt ins Ruhrgebiet – nach Essen-Werden und an die Hochschule von Pina Bausch. Ich weiß nicht, ob es Zufall oder Schicksal war, dass ich hierherkam. Die Kultur im Ruhrgebiet ist eine völlig andere, als ich sie kenne, und auch die Sprache ist sehr schwierig für mich. Aber die Zeit vergeht unheimlich schnell. Nach meiner Tanzkarriere in Peking und am Aalto-Theater in Essen fing ich an, als Choreograf zu arbeiten. Ich habe dann immer mehr auf internationaler Ebene choreografiert – in Antwerpen, Amsterdam, Peking, Meiningen und auch Dortmund. Mein Leben und meine Arbeit hatten immer etwas mit dem Ruhrgebiet zu tun – ich bin stets hierher zurückgekehrt. Ich habe elf Jahre in Essen gelebt, dort kenne ich alles. Danach war ich zwei Jahre in Meiningen und kam dann nach Dortmund – wieder ins Ruhrgebiet. In Dortmund lebe ich jetzt seit zwölf Jahren. Ich kenne diesen Ort, die Menschen und die Kultur des Ruhrgebiets, und diese Kultur ist eine besondere. Ob es eine Hochkultur ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ich weiß, dass es eine sehr interessante Kultur ist.
Sie hat eigentlich alles. Im Ruhrgebiet gibt es tolle Museen und Theater sowie die Ruhrakademie und das Orchesterzentrum in Dortmund. Außerdem spiegelt sich an vielen Orten die Industriekultur wider, und die Menschen gehen zunehmend mehr ins Theater.
Ich glaube, die Menschen in Deutschland interessieren sich für ihre Kultur und ihre Geschichte. Nach den zwei Weltkriegen war hier alles zerstört, und nach und nach schaffen die Menschen es, wieder eine Kultur aufzubauen – eine hohe Kultur. Die Menschen hier sind ehrlich, das mag ich, und sie möchten Spaß am Leben haben.
Meine erste Premiere waren die „Drei Symphonien“ von Prokofjew. Das war etwas Neues für das Publikum. Man kannte hier eher klassisches Ballett wie den „Nussknacker“. Mein Ballett ist dagegen sehr avantgardistisch. Es ist neu und ungewöhnlich, dennoch haben die Leute es toll aufgenommen, und ich glaube, dass man dieses moderne Ballett hier schrittweise aufbauen kann.
Seit 2004 haben wir hier versucht, ein gutes Team aufzubauen und mit tollen Tänzern zu arbeiten. Man braucht gute Tänzer und gute Stücke, und es muss eine gute Verbindung zwischen diesen Dingen herrschen. Wir hatten eine Vision davon, dass wir zum einen ein Ballett und gleichzeitig eine Oper sind. Wir versuchen, die Elemente der Oper ins Ballett mit einfließen zu lassen. Jetzt haben wir unseren eigenen Stil und unser eigenes Programm. Bevor ich hier anfing, gab es keine richtige Ballettdirektion. Strukturell gesehen war das Ballett nicht eigenständig, aber ich wollte, dass das Ballett eine eigene Intendanz bekommt, eine eigene Sparte wird.
Hierfür musste der Stadtrat entscheiden und die Satzung des Theaters ändern. Im Vorfeld haben wir etwa fünf Jahre daraufhin gearbeitet. So lange hat es gedauert, bis der Beschluss für eine eigene „Sparte“ verabschiedet wurde.
Ja, wir waren bereits in Russland, Tschechien und Ungarn, und dieses Jahr gehen wir auch wieder in Luxemburg auf Tournee. Das war von Anfang an Teil unseres Konzepts. Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, aber vor allem anderen steht für mich die Qualität – nur sie kann einen Erfolg mit sich bringen, und das spürt auch das Publikum. Wir möchten das, was hier für unmöglich gehalten wurde, möglich machen. Dabei muss man jedoch bedenken, dass unser Budget sehr gering ist, daher müssen wir mit wenigen Mitteln Großes schaffen. Das erschwert unsere Arbeit natürlich.
Ein wichtiger Baustein für gute Qualität ist die Gründung eines Juniorballetts. Wir arbeiten mit jungen Tänzern und Tänzerinnen, die auf einem sehr professionellen Level tanzen. Die sind fertig ausgebildet und kommen von den verschiedenen Akademien zu uns. Es ist im Prinzip mit der Form eines Referendariats vergleichbar. Handwerklich sind die Tänzer super ausgebildet, und bei uns sammeln sie dann ihre ersten Berufserfahrungen und werden in die Proben sowie den normalen Alltag eines Tänzers eingeführt.
Seit zwei Jahren. Insgesamt gibt es diese Companies mit jungen Tänzern und Tänzerinnen als eine Art Ausbildungsstätte dreimal in Deutschland – in Hamburg, München und hier in Dortmund. Es ist also schon etwas Besonderes, und die Leute kommen aus der ganzen Welt hierher.
Es sind zwölf Tänzer aus neun oder zehn Ländern. Beworben haben sich aber ungefähr 3.000, aus denen haben wir einige Hundert ausgewählt, die wir zum Vortanzen eingeladen haben. Schließlich haben wir uns für zwölf Tänzer und Tänzerinnen entschieden – das ist wirklich Tanzen auf sehr hohem Niveau.
Das stimmt, es ist durchaus vergleichbar mit den jungen Talenten im Fußball. Von der Technik her sind diese jungen Leute perfekt ausgebildet und brauchen nur ein wenig praktische Erfahrung.
Unsere Besucher kommen aus ganz Nordrhein-Westfalen, aus Köln und aus dem Sauerländer Raum. Wir hatten aber auch schon Zuschauer aus Berlin und den Niederlanden. Gerade weil die Menschen von überallher kommen, müssen wir uns genau überlegen, wie wir ein bestimmtes Programm aufbauen und gestalten. Die dürfen sich nicht nur am Dortmunder Publikum orientieren, sondern müssen grenzübergreifend denken. Wir müssen es schaffen, ein sehr breites Publikum anzusprechen und trotzdem ein Ballett auf hohem Niveau auf die Bühne zu bringen – von modernem bis klassischem Ballett.
Ja. Ich möchte etwas für die Stadt tun, und ich werde hierbleiben, bis ich nichts mehr zu geben habe – das ist mein Ziel. In den letzten zwölf Jahren konnten wir hier schon sehr viel bewegen und aufbauen. Wir kennen jetzt unser Team, unseren Stil und vor allem unsere Ziele. Meine Art ist es, Ziele zu erreichen und zu Ende zu bringen.