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URB CLOTHING: INTERNATIONALES GELSENKIRCHENER MODE STARTUP

Interview: Lisa Krispin

Mit ihren ausgefallenen Latex-Strumpfhosen und ihrem Online-Label URB CLOTHING setzen die Fashion-Designer-Schwestern Sara und Johanna Urbais neue Trends und erobern von ihrem Atelier in Gelsenkirchen aus die internationalen Fashionmetropolen. Im Interview mit PURE LEBENSLUST machen Sara und Prokurist Daniel uns klar, warum man sich trauen muss, wenn man von einer Sache überzeugt ist und welche Ziele sie mit URB CLOTHING haben.

WELCHE IDEE STECKT HINTER URB CLOTHING UND WIE KAM ES ZUR GRÜNDUNG DES LABELS?
Sara:
Ich wollte schon immer Modedesignerin werden und habe ja auch Modedesign in Düsseldorf studiert. Irgendwann hatte ich während eines Workshops zum Thema Oberflächengestaltung mit Latex zu tun und Latex war einfach das coolste Material von allen. Im Gegensatz zu den anderen Stoffen ist Latex flüssig und verändert seine Form, wenn es getrocknet wird und dann kann man es sogar noch weiter verarbeiten. Ich habe meiner Schwester davon erzählt und dann hatten wir die Idee zu den Strumpfhosen gehabt. Wir hatten auch vorher schon immer einige Ideen, aber meine Schwester ging zur Schule und ich war noch am Studieren, das passte alles nicht so. Aber 2012 hat man gesehen, dass viele Leute selber einen Online-Shop gegründet und ihre eignen Sachen dort angeboten haben – auch in kleinen Mengen ohne, dass man direkt eine Riesen-investition machen musste. Da haben wir uns dann gedacht: komm, lass uns das mal probieren!
Daniel: An dieser Stelle sollte Eure Liebe zur Mode nicht unerwähnt bleiben – die hat auch wesentlich dazu beigetragen.
Sara: Ja klar, natürlich. Ich habe dann mein Studium abgebrochen und meine Schwester hat nach der Schule direkt hier mit weiter gearbeitet. Das mussten wir auch. Wir wussten, dass es eine gute Idee ist und weil wir vorher Modeblogs hatten, wussten wir, dass das gut ankommen wird. Also wenn ich nur den Einfluss von meiner direkten Umgebung gehabt hätte, hätte ich gesagt: ok, das kannst du vergessen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so viele Menschen gibt, die auf die Tights abfahren würden – die sich einfach für dieselben Sachen interessieren, wie meine Schwester und ich. Durch das Internet ging es dann richtig ab. Kurz nachdem ich den Onlineshop released hatte, habe ich das natürlich sofort auf meinem Tumblr-Blog geteilt und in dem Moment hat Nicole Winters von dem Label Nicki Lipstick das direkt ge-reblogged. Und so hatten wir in der ersten Stunde 1000 Klicks auf unserem Shop. Die ersten drei Tage habe ich mich ein bisschen geärgert, dass keine Bestellung einging, aber dann fing es an und die Bestellungen kamen. Wenn man ehrlich ist, war noch gar nichts fertig (lacht). Es war aber alles noch überschaubar für uns und sehr spannend. Wir haben natürlich auch immer weiter Werbung gemacht, haben die Sachen an verschiedene Blogger geschickt, die das dann getragen haben, ohne dass wir, wie es heute ist, irgendetwas dafür zahlen mussten. Bis heute gab es eigentlich nie richtig Zeit für uns, zu realisieren, was hier eigentlich gerade passiert. Aber es war einfach das, was ich immer wollte. Ich habe mir, als ich 18 war schon einmal gedacht: ich will auf jeden Fall, wenn ich 25 bin erfolgreiche Modedesignerin sein. Jetzt habe ich vor kurzem darüber nachgedacht und festgestellt, dass das scheinbar schon ganz gut geklappt hat.

IST DIE PRODUKTION VON DEN LATEX-STÜCKEN SEHR AUFWENDIG?
Sara:
Ja, total. Am Anfang hatten wir noch nicht einmal das richtige Latex, sondern nur Latex aus dem Künstlerbedarf. Wir mussten dann schnell zusehen, dass wir Großhändler finden und dass wir unsere Produktion vergrößern und das Material perfektionieren. Es musste ausgeschlossen werden, dass man davon Allergien oder Ähnliches bekommen kann.

AM ANFANG HABT IHR DIE STRUMPFHOSEN ALSO ZU ZWEIT HERGESTELLT?
Sara:
Ja klar, mussten wir. Am Anfang lief die Arbeit von unseren Kinderzimmern aus. Irgendwann waren die Strumpfhosen dann in der ganzen Wohnung verteilt, unsere Eltern haben zum Glück nie etwas gesagt. Und obwohl wir zusätzlich den Dachstuhl für unsere Herstellung in Beschlag genommen haben, hatte auch der Vermieter nichts dagegen. Wir haben solche glitzernden Strumpfhosen und irgendwann war der ganze Hausflur voller Glitzer. Eine ehemalige Nachbarin habe ich von kurzem wiedergetroffen und da hat sie mir gesagt, dass sie das vermisst, dass der Hausflur voller Glitzer ist (lacht). Wir hatten also wirklich Glück, dass wir immer die richtigen Leute um uns herum hatten

FÜR WEN SIND EURE SACHEN?
Sara:
Die meisten Kunden kommen nicht aus Deutschland, sondern aus den USA. Auf unseren Blogs konnten wir vorher schon sehen, dass unsere Follower immer eher aus dem Ausland kamen. Ich bin mit Blogs groß geworden, da wird sich viel über Mode ausgetauscht. Und anhand unserer Blogs konnten wir natürlich auch schon absehen, in welche Richtung das gehen würde, welche Leute die Strumpfhosen kaufen werden.

ABGESEHEN VOM AMERIKANISCHEN MARKT SEID IHR AUCH IN ASIEN SEHR BELIEBT, ODER?
Sara:
Ja. Die Leute kommen überwiegend aus dieser Young-Internet-Generation, die individuell sein möchte, die es mag aufzufallen und sie sich ihre Mode im Internet sucht.

SIND DAS EHER JUNGE LEUTE?
Sara:
Unsere Kunden sind etwa zwischen 13 und 34 Jahre alt, das ist in beide Richtungen immer größer geworden. In Asien ist das zum Beispiel etwas ganz anderes, wenn ältere Frauen sich etwas verrückter kleiden. Das kann man mit Deutschland überhaupt nicht vergleichen, hier wirst du eher blöd angeguckt und in Asien sagen die Leute: oh hey, coole Sachen, die du da an hast! Oder es ist den Leuten egal, was andere an haben – auf jeden Fall bekommst du keine negativen Äußerungen. Aber die jungen Leute werden glaube ich auch anders, der Selbstdarstellungsdrang wird immer größer, das merkt man ja schon. Das muss nicht unbedingt negativ sein, wenn es nicht zu extrem wird. Es fördert definitiv mehr die Individualität und dass die Leute zu sich stehen. Der Trend geht auf jeden Fall in Richtung Individualität.

BISHER HABT IHR KEINEN EIGENEN VERKAUFSSTORE – BELIEFERT IHR ANDERE LÄDEN MIT EUREN SACHEN?
Sara:
Genau, wir haben bis jetzt 22 Läden, die unsere Sachen verkaufen.

IHR HABT VON DEN USA GESPROCHEN, WAS IST MIT DEM EUROPÄISCHEN MARKT?
Daniel:
Die meisten Endkunden befinden sich in Amerika. Da haben wir aber noch keinen Laden, der unsere Sachen verkauft. Die meisten Retailer haben wir in Asien und dorthin haben wir auch den besten Kontakt. Dadurch, dass Sara und Joe Halb-Thailänderinnen sind, ist der Bezug dorthin auch etwas größer, als zum Beispiel nach Amerika. Europäisch gesehen ist Frankreich schon sehr stark, die skandinavischen Länder und Holland auch. Was mich am meisten an dieser ganzen Geschichte wundert ist, dass wir viele Endkunden aus Ländern haben, in denen Religion, denkt man zumindest, eine wichtige Rolle spielt. Viele Bestellungen kommen aus dem Iran, Afghanistan oder dem Libanon.
Sara: Das finden wir echt cool. Ich habe vor Kurzem einen Artikel darüber gelesen, dass in Ländern wie dem Iran, momentan genauso Subkulturen entstehen, wie hier auch. Das ist eine Szene, die wächst – die Frauen tragen zum Beispiel ihre Kopftücher nur so über die Hälfte des Kopfes und die Leute wissen genau, wie man Internetsperren umgeht.

UND MÖCHTET IHR IRGENDWANN EINEN EIGENEN STORE HABEN?
Daniel:
Ja, das wünschen wir uns.

WO SOLL DER SEIN?
Sara:
In Bangkok. Die Statistiken zeigen, dass wir dort einfach am besten ankommen.
Daniel: Wir haben knapp 7.000 Follower, die nur aus Bangkok kommen – das ist schon eine gute Zahl.

WOLLT IHR DENN IN GELSENKIRCHEN BLEIBEN?
Daniel:
Wir bleiben immer in Gelsenkirchen. Wir sind alle Gelsenkirchener und sehr heimatverbunden. Wir wollen auch aktiv mithelfen, das Image der Stadt zu verbessern, die wird von außen eher schlecht wahrgenommen. Gerade weil wir in Ückendorf leben. Wir versuchen unsere Balance nach außen zu tragen und dadurch andere zu motivieren. Viele meinen, das sei der kriminellste und gefährlichste Stadtteil in Gelsenkirchen – das ist aber nicht so. Auf dieser Straße allein leben Menschen aus 15 verschiedenen Kulturen und die laufen hier natürlich auch rum, aber da ist nichts Schlimmes dran
Sara: Im Gegenteil! Alle sind echt immer sehr interessiert, wenn Veranstaltungen stattfinden, die finden das cool und unterstützen uns. Man darf sich vor diesen Leute einfach nicht verschließen, genauso wenig, wie vor solchen freakigen Klamotten, wie wir sie machen. Wir bekommen wirklich viel Anerkennung dafür, dass wir uns etwas trauen. Es ist genau richtig, mutig zu sein und sich etwas zu trauen, gerade, wenn man noch jung ist. Dann hat man noch keine Verpflichtungen und darf Fehler machen.
Daniel: Wenn man eine Familie hat, kann man nicht einfach, oder nur schwer, sagen: „so, ich mache mich morgen selbstständig. Wie genau weiß ich noch nicht, irgendwas mit Latex und Strumpfhosen!“ Deshalb ist unser Leitspruch auch: einfach machen! Mal etwas wagen, wenn man Ziele hat! Das hört sich einfach an, aber letztendlich ist das alles, was es braucht.

WIE IST ES, MIT SEINER SCHWESTER ZUSAMMENZUARBEITEN?
Sara:
Also, das ist zwischendurch natürlich schon schwierig, man ist immer mal genervt. Aber wenn man genau überlegt, ist das Label ja eine Fusion – eine Fusion aus ihr und mir.
Daraus ist die Idee der Melting Tights entstanden und das ist das, was uns zusammenhält. Mittlerweile arbeitet jeder auch so in seinem Bereich, da kann man sich immer mal zurückziehen.

WIE FINDET IHR EUREN AUSGLEICH ZUR ARBEIT?
Sara:
Als Ausgleich machen wir viel Sport. Das ist für uns ganz, ganz wichtig. 
Daniel: Ja, die beiden gehen drei- bis viermal die Woche morgens ins Fitnessstudio und ich spiele nebenbei Fußball. Also der Sport ist für uns alle ein sehr wichtiger Faktor und die Ernährung natürlich auch. Man hält das sonst alles nicht durch, wenn man mit sich selber nicht in Balance ist. Dann kann man die auch nicht nach außen tragen und andere motivieren.

SPORT GIBT EUCH ALSO KRAFT FÜR EURE ARBEIT?
Sara:
Ja klar, total.
Daniel: Ja, die Ausdauer ist dann wirklich besser und man ist fitter im Kopf.

VERMISCHEN SICH ARBEIT UND PRIVATES MANCHMAL?
Sara:
Bei mir ist es so, dass ich Job und Privates eigentlich ganz stark trenne. Dann ist alles einfacher, weil es auf der Arbeit um Kohle geht und privat geht es um Gefühle. Wenn alles objektiv abläuft, ist es am Ende eigentlich immer einfacher. Einer unserer Mitarbeiter ist zum Beispiel auch ein Freund von uns, aber das wird auf der Arbeit ganz stark getrennt. Man arbeitet natürlich auf einer freundschaftlichen Basis zusammen aber in der Freizeit und am Wochenende ist es auch schön, wenn man sich mit anderen trifft und nicht nur über die Arbeit spricht.

URB Clothing
Bochumer Straße 74
45886 Gelsenkirchen
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