Interview: Ingo Kabutz. Fotos: Neven Subotic Stiftung; dpa
750 Millionen Menschen leben weltweit ohne Wasser – was fürchterlich klingt, ist leider Realität. Um hier Hilfe zu schaffen, gründete der BVB-Fußballspieler Neven Subotic vor drei Jahren die Neven Subotic Stiftung in Dortmund. PURE LEBENSLUST trifft ihn zum Interview.
Es ist ein Skandal, dass nicht mehr darüber berichtet wird! Ich lese kaum Zeitung und schaue kein Fernsehen, weil ich der Meinung bin, dass nur darüber berichtet wird, was die Leute hören und sehen möchten. Skandalös ist natürlich, dass das Thema nicht erst von gestern auf heute da war, sondern dass diese hohe Zahl schon seit Ewigkeiten besteht. In den letzten Jahren wurde da zwar schon sehr viel gemacht und sehr viel verbessert, aber nichtsdestotrotz leben immer noch zehnmal so viele Menschen wie die Bevölkerung in Deutschland ohne Zugang zu sauberem Wasser. Das heißt, die Menschen müssen irgendwo Wasser finden, weil Wasser das Erste ist, was jeder Mensch zum Leben braucht. Sie sind z.B. gezwungen, das Wasser aus Flüssen zu nehmen. Und was auch klar ist: In Regionen, in denen die Menschen gar keinen Zugang zu Wasser haben, ist es noch viel krasser. Dort hat kaum jemand Zugang zu einer Toilette. Deshalb ist die Verschmutzung des Trinkwassers und Übertragung von gefährlichen Bakterien ein großes Problem. Einen Vorwurf kann man den Menschen nicht machen, es ist ja nicht ihre Wahl. Sie können nicht jeden Tag 50 Kilometer weit zu einem Brunnen laufen.
Ich denke einfach in Extremen. Was ich schon immer machen wollte: mein eigenes Ding. Was schon immer mein Ziel war: mich nicht auf meinen Arbeitsplatz, der zurzeit Dortmund ist, oder auf meinen Heimatort in Bosnien begrenzen. Ich wollte nicht, dass einer dieser Orte diktiert, wem ich helfe. Denn wenn jeder nur seinen eigenen Leuten helfen würde, dann hätten wir dieses Klischee, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Natürlich leben gerade jetzt durch die vielen Flüchtlinge auch in Dortmund viele Menschen in Umständen, die wir uns gar nicht vorstellen können. In meiner Heimat passiert auch sehr viel. Eine Wirtschaft besteht eigentlich gar nicht. Meine Cousine, die an der Universität Einser schreibt, hat keine Möglichkeit, einen Job zu finden. Deshalb hat sie sich jetzt dazu entschieden, ein Baby zu bekommen. Aber wie gesagt, ich wollte nicht, dass mein bisheriges Leben entscheidet, wem ich helfe. Ich wollte mich also wirklich um die ärmsten Menschen auf dieser Welt kümmern, das sind einfach die Menschen, die am wenigsten zu Verfügung haben. Und wir kümmern uns um die Leute, bei denen die Deckung der menschlichen Grundbedürfnisse nicht gegeben ist. Da ist es natürlich traurig zu sehen, dass es schon beim Wasser losgeht.
Also, meine Eltern haben während des Krieges in Bosnien sehr viel geholfen. Sie hatten beide mehrere Jobs. Und dann auch noch zwei Schichten am Tag, damit sie nicht nur sich selbst und uns ernähren konnten, sondern auch sehr viele Hilfsgüter zu ihren Verwandten nach Bosnien schicken konnten. Das hat mich als Kind geprägt. Als Kind bekommt man ja Sachen mit, die man zu diesem Zeitpunkt vielleicht versteht, aber nichts macht. Dann bleibt das immer im Hinterkopf. Und als wir dann 1999 aus Deutschland abgeschoben wurden und nach Amerika gegangen sind, da haben wir auch Hilfe vom Staat bekommen. So konnten wir überhaupt erst einmal Fuß fassen. Wir waren dann diejenigen, die Hilfe bekommen haben.
Ja absolut, also ich möchte das auch nicht so darstellen, als ob wir es schlecht gehabt hätten. Ich war nicht im Krieg. Meine Kindheit war immer gut. Im Verhältnis zu den Leuten aus meinem Umfeld war ich nicht der Reichste, aber es war immer alles gut. Wir hatten genug zu essen, zu trinken und genug Liebe. Ein großer Schritt war es dann, als ich 2006 als 17-Jähriger allein nach Deutschland gekommen bin und meinen ersten Profivertrag unterschrieben habe. In diesem Moment wurde ich natürlich auch zum Vorbild. Als Fußballspieler hat man viele Möglichkeiten, sich sozial zu engagieren. In Mainz habe ich dann die erste Möglichkeit dazu genutzt, indem ich in einer Art Wohngemeinschaft geholfen habe, in der Waisenkinder lebten. Es hat einfach so viel Spaß gemacht. Die Kinder waren in diesen Momenten einfach die Kings und wir sind meistens auf den Spielplatz gegangen. Man hat gesehen, dass es ihnen gut getan hat und mir hat es auch einen riesigen Spaß gemacht. Da hat das alles angefangen. Da habe ich gemerkt, dass mir Helfen Spaß macht! Ich habe auch den Effekt gesehen, den man damit erzeugt.
Ja, hier in Dortmund – vor drei Jahren. Wir sind hier zu dritt.
Das sind gute Menschen. Also die Shari macht die Leitung mit mir, sie kümmert sich um E-Mails, Terminvereinbarungen, Projekte im Inland und um die Umsetzung von Ideen. Lana kümmert sich um die Kommunikation, also was wir so von uns erzählen, das muss ja auch stimmen und passen. Außerdem haben wir noch die Stiftungsagentur in Neuss an unserer Seite. Das ist der offizielle Verwalter und gehört auch zur Neven Subotic Stiftung. Es bleibt natürlich trotzdem noch jede Menge Arbeit. Ich habe die Stiftung ja nicht ins Leben gerufen, weil ich das einfache Leben mag, sondern weil ich viel erreichen möchte. Ich glaube, jeder, der wirklich leidenschaftlich hinter seiner Stiftung steht, kennt dieses Gefühl von „satt sein“ nicht. Wir haben eben über 750 Millionen Menschen gesprochen. Wenn man dann an die Arbeit denkt, die man macht, macht diese nur so wenig aus. Und trotzdem besteht vor Ort das Gefühl, vieles zu erreichen. Bei der Abreise sieht man, dass an anderen Stellen immer noch Toiletten und Wasserquellen fehlen. Es fühlt sich also schon gut an, etwas zu erreichen, aber gleichzeitig ist es nie genug.
Ja, das ist kurz- und mittelfristig unser Platz. Das ist ein Land, das deutlich größer als Deutschland ist und mit 92 Millionen auch deutlich mehr Einwohner hat. Und ein bisschen weniger als die Hälfte dieser Einwohner hat gar keinen Zugang zu Wasser. Auf diese Areale sind wir fokussiert. Das sind Orte, die nicht urbanisiert wurden, das sind ländliche Regionen ohne Infrastruktur. Das Feedback, das wir von den Leuten vor Ort bisher bekommen haben, ist schon phänomenal. In Deutschland hört man so oft ein Dankeschön. Aber ein Dankeschön mit einer Erklärung, was unsere Hilfe jemandem bedeutet, das ist etwas ganz Besonderes! Das gibt uns das Gefühl, dass das, was wir tun, richtig ist, dass es bei den richtigen Leuten ankommt. Nur eine Geschichte: Am ersten Tag haben wir in einem Dorf einen Wasserbrunnen eingeweiht und ich habe dann symbolisch für eine junge Frau mit vier Kindern einen 20 Liter Kanister zu ihrem Haus gebracht. Das waren 150 Meter! Die läuft man dann mit 20 Litern Wasser ... Keiner in Deutschland kann sich wirklich vorstellen, wie das ist, 20 Liter Wasser zu tragen! Das kann ja jeder einmal versuchen, auf dem Kopf, auf dem Rücken oder auch mit den Armen. Mir als Sportler fiel das schon schwer und ich dachte mir: Wie schaffen die das? Mit dem Brunnen, den wir gebaut haben, haben wir den Leuten das Leben deutlich leichter gemacht. Vorher lag die Quelle vielleicht zwei Kilometer entfernt, jetzt sind es geschätzt 150 Meter. Dadurch bleibt den Menschen viel mehr Zeit, sich um die Kinder oder das Feld zu kümmern. Das ist natürlich ein großer Gewinn. Um auf die Gastfreundlichkeit und auf das Dankeschön der Leute zurückzukommen: Die Frau hat uns dann zu sich ins Haus eingeladen. Da war nicht viel, zwei kleine Betten nebeneinander, in denen sie zu sechst schlafen und ein Schrank mit all ihren Wertsachen – Töpfe, Gläser und ein Liter Joghurt von ihrer Ziege. Und die Frau wollte, dass wir diesen Joghurt trinken. Für uns war klar, dass wir davon nichts trinken. Wir hatten ja gesehen, wo und wie sie lebt und dass ihre Kinder ernährt werden müssen. Sie bestand aber darauf. Es wäre unhöflich gewesen, wenn wir den Joghurt nicht getrunken hätten, also haben wir ihre Einladung angenommen. Sie hat uns den kompletten Liter eingeschenkt. Das war so ein großes Dankeschön, nur weil jemand Wasser in der Nähe hat. Das ist etwas, das niemand von uns sich jemals hätte vorstellen können. Wir hatten einfach nur überall Gänsehaut und waren völlig sprachlos. Was will man da auch noch sagen – außer, dass man es sehr, sehr gern für sie gemacht hat.
Also es weiß jeder, dass ich eine Stiftung führe und viele fragen mich auch, warum ich das mache. Jeder weiß, dass ich mich in dieser Sache sehr engagiere, mit mehr als nur meinem Namen, nämlich mit sehr viel Arbeit. Manche zeigen auch Interesse und suchen das Gespräch. Einer meiner Kollegen hat sich privat dafür entschieden, im Rahmen seiner Hochzeit anderen Menschen zu helfen, aber mehr darf ich dazu nicht sagen. Und ansonsten ist Sebastian Kehl beim „Roten Keil“ tätig, einer Stiftung, die sich weltweit gegen Kinderprostitution einsetzt. Roman Weidenfeller und Marco Reus engagieren sich ebenfalls als Botschafter für diese Stiftung.
Vielleicht können wir ja den Einen oder Anderen bitten, zu spenden. Spenden sind immer gut, weil sie im Endeffekt dafür sorgt, dass ein Brunnen gebaut werden kann.
Nein, Spenden fließen zu 100% in das Projekt. Der Stiftungsstock wurde von mir errichtet, einfach weil einer angelegt werden muss.
Vieles steht an. Erst einmal werden wir natürlich mit unseren Partnern besprechen, ob alles gut gelaufen ist oder es Probleme gab. Dann gehen wir zu jedem Brunnen und gucken uns an, ob er gut gebaut wurde oder es Mängel gibt. Die müssen dann ausgebessert werden. Wir unterhalten uns auch mit den Leuten vor Ort, wie die Schulung war, was die Leute gelernt haben und was ihnen dieser Brunnen bedeutet. Für mich ist es einfach interessant, die Leute vor Ort kennen zu lernen, das motiviert und inspiriert mich ungemein. Zum Beispiel die Lehrer! Es ist unglaublich, was für einen Einsatz die dort bringen, obwohl sie furchtbar wenig Geld verdienen. Wenn man das so sagen kann, der „schlechteste“ Lehrer dort ist immer noch engagierter als mein bester Lehrer es jemals war. Die Kinder haben einfach Spaß in der Schule. Jeder macht mit, alle haben Lust. Das ist Luxus für die. Da gibt es keinen Tag, an dem ein Kind einmal keine Lust hat. Man denkt immer, das ist so weit weg von uns. Aber wenn man sich in den Flieger setzt, ist man in sieben Stunden da. Dann sieht man die Realität, es ist nicht weit weg. Das passiert da alles jetzt und es wird auch in den nächsten Jahren leider so sein. Für mich gibt es eigentlich kein Ende dieses Projekts, ich kann mir das nicht vorstellen. Ich habe in den letzten Jahren so viele Erinnerungen gesammelt, an denen ich hänge. Man kann mich irgend etwas über unsere Projekte fragen und zack – ich weiß alles. Ich schreibe mir auch viele Sachen auf, aber ich behalte die Dinge, weil sie mir wichtig sind. Und diese Wichtigkeit hat über die Jahre stark zugenommen. Ich habe nie das Gefühl, dass das, was ich tue, auf einem ausreichend gutem Niveau ist, sodass ich mich locker machen könnte. Deshalb werde ich wahrscheinlich meinen gesamten Urlaub dort vor Ort verbringen.
LIEBER NEVEN, WIR VON DER REDAKTION PURE LEBENSLUST BEDANKEN UNS GANZ HERZLICH FÜR DIESE AUSFÜHRLICHEN INFORMATIONEN! INGO KABUTZ + TEAM
Mit Ihrer Spende können wir für Kinder viel erreichen. Verfolgen Sie hier online, was Ihre Spende bewirkt. Wir sorgen dafür, dass Ihr Beitrag zu 100 Prozent in Projekte vor Ort fließt. Ab einem Spendenbetrag von 50€ erhalten Sie eine Autogrammkarte als Dankeschön und auf Wunsch, eine Spendenquittung. Bei Fragen können Sie uns gerne kontaktieren.
Kontoinhaber: Neven Subotic Stiftung
Kreditinstitut: Stadtsparkasse Wuppertal
Bankleitzahl: 33050000
Kontonummer: 648188
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