FOTOGRAFIE BÜCHER MUSIK

KATARZYNA TASIEMSKA – FOTOGRAFIN AUS MÜNSTER

ES IST KEIN “NINE-TO-FIVE-JOB”

Interviews / Text: Katharina Piszczan

„Nicht jeder will diese immergleiche Fotografie haben. Das ‚allgemeine Ding‘ funktioniert nicht mehr.“

In Münster, ganz in der Nähe vom Bahnhof, treff ich in der Wohnung von Katarzyna Tasiemska ein. Sie wohnt und arbeitet dort zugleich, hat in einem Zimmer ihr Büro eingerichtet. Alles wirkt etwas alternativ, ihre Wohnung und Arbeitsstätte besitzt ein besonderes Flair, ein Ambiente mit Charisma – genau wie die 30-Jährige es auch selbst ist. Katarzyna begrüßt mich mit Kaffee und Schokolade zum Frühstück und wir fangen an, uns zu unterhalten – über die Vorteile eines unangepassten Lebensstils und warum sie Fotografie als individuell bezeichnet.

FERNAB VON NULLACHT-FÜNFZEHN

„Der Blick für gute und individuelle Bilder“ war der Grund für die beste Entscheidung, die sie treffen konnte: Katarzyna machte eine Fotoausbildung, bei der ihr recht schnell klar wurde, dass sie an der Akt-Fotografie am meisten Spaß findet, erzählt sie mir: „Wenn wir Akt-Shootings hatten, haben wir die immer nach Ladenschluss gemacht, das war alles so geheimnisvoll. Da waren wir mit den Leuten alleine, man hatte dann seine Ruhe, konnte auf die Leute eingehen und das war eben das, was fernab von diesem ganzen Abarbeiten von Fotografie war, also Passbilder, Bewerbungsbilder, was innerhalb von 15 Minuten gemacht werden musste.“

DAS „LANGWEILIGE DING“ FUNKTIONIERT NICHT MEHR

Bereits bei ihrer ersten Anstellung lag für die gebürtige Polin zweifelsohne schnell auf der Hand, dass sie sich nach etwas anderem, nach etwas Persönlichem sehnte: „Nicht bloß die alltägliche Portrait-Fotografie, die jeder kennt.“ Die Studio-Fotografie mit plattem Hintergrund, Licht von vorne, von hinten und nochmal Lampenlicht fand sie schrecklich, die Arbeit im Freien dagegen gefiel ihr besonders gut, sodass sie ihre zwei Neigungen zu verbinden wusste: Mit „Aktfotografie on Outdoor“ war schließlich ihre Konzeptidee geboren. Die Natur als Raum eröffnet ihr einen künstlerischen Spielraum, der maßgebend für die Eigentümlichkeit ihrer Arbeit ist. Um ihrer Kreativität keine Grenzen zu setzen und alle Freiheiten genießen zu können, wagte Katarzyna einen Schritt, der viel Mut erforderte: „Irgendwann ist mir der Kragen geplatzt und ich gesagt: ‚Ich trau mich, ich kündige, ich mach mich selbstständig‘ – und das hab ich auch getan. Ihre Arbeit sollte dabei nicht bloß ihre Interessen widerspiegeln, sondern auch ihr Können fokussieren: „Ich wollte nicht eine dieser Fotografinnen werden, die alles tun. Ich habe eben schnell gemerkt, dass dieses allgemeine Ding nicht mehr funktioniert. Alles, aber nichts richtig, ohne Herz und Seele.“

EIN EIGENER STIL

In Katarzynas Leben gibt es keinen festen Tagesablauf oder generell einen Ablauf.  Sie erlebt jeden Tag anders: Foto-Shootings wechseln sich mit Bildbearbeitung, der Arbeit mit Verlagen oder Privatkunden und Marketingaufgaben ab. Und genau das ist der Aspekt, der sie so an ihrer Arbeit fasziniert: „Das ist eben das Tolle, weil ich bin überhaupt nicht der Mensch für so einen ‚Nine-to-five-Job‘, ich hasse sowas, sodass jeder Tag bei mir anders aussieht. Ich liebe die Abwechslung.“ Wesentlich für ihre Begeisterung sind unweigerlich die Freiheiten, die sie durch ihre Selbstständigkeit und die vielen verschiedenen Facetten ihres Jobs hat: „Ich muss mich an keine Richtlinien halten, weil die einzige Richtlinie sind meine Kunden und ich.“ Die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, verleiht nicht bloß ihrer Arbeit, sondern auch ihrer Arbeitsweise das Privileg der Individualität. Und um sich auf einen möglichst guten und individuellen Job vorzubereiten, lernt Katarzyna ihre Kunden vorher kennen. Die Location, die Person, die vor ihr sitzt, und letztendlich ihr eigener Stil, den sie sich erarbeitet hat, führen dazu, dass jedes Bild für sich individuell ist: „Nicht jeder will diese typische Fotografie haben, die man so kennt, und ich glaub, genau für diese Leute bin ich dann da, die dann auch mal sehen, dass es anders gehen kann. Es geht schöner, persönlicher, nicht das Studio-Ding. Ich versuche die Bilder immer so zu bearbeiten, dass es zu der Person passt, die auf dem Bild ist. Wenn alles in Grün-Gold getaucht ist, dann kann das nächste einfach entsättigt werden oder kontrastreich und dunkel sein.“ Für die Fotografin ist jedes Bild ein kleines Kunstwerk, das auch einen nachhaltigen Zweck erfüllen soll: „Das soll ja kein Daten-Müll auf dem Computer werden, sondern man soll es auch an die Wand hängen wollen.“

NACKTHEIT BRAUCHT MUT

Gründe für ein Akt-Bild gibt es bei ihren Kunden zahlreiche: „Sie wollen sich selbst beweisen, dass sie hübsch sind, trotz Alter oder Falten.“ Diese Erfahrung und das fertige Bild stellen für viele Personen die Möglichkeit dar, ihr Selbstwertgefühl aufzuwerten, einen Moment des „Sichwohlfühlens“ zu erleben. Obendrein besitzen sie den Willen, aus sich herauszugehen, den Mut aufzubringen – der fremden Situation und auch seinem Körper gegenüber – schildert Katarzyna: „Ich hab eigentlich immer Mädels da, die vorher nie vor der Kamera gestanden haben, und das ist für sie ein sehr, sehr extremer und mutiger Schritt. Und die haben meistens echt Angst davor. Und das nicht nur in dem Sinne ‚Ich hab jetzt Akt-Fotos von mir machen lassen‘, sondern das sind so viele Ebenen: Da ist eine fremde Person, vor der ich mich ausziehen muss, eventuell bin ich draußen, wo mich andere Leute sehen können. Jetzt im aktuellen Fall hatte ich ein Mädel, das Angst vor Wasser hatte, ist aber mit mir in einen See gehüpft. Das ist ein Selbstbeweis ‚Ich kann das, ich habe es geschafft und es sind viele tolle Bilder geworden, die zeigen dass ich schön bin‘.“ Bei der Bildbearbeitung möchte die Fotografin so viel Persönlichkeit wie nur möglich beibehalten und die Individualität der  Person nicht verfälschen, es darf dennoch ein bisschen gepfuscht werden: „Das finden die meisten toll, da es für sie ist, wie bei einem richtigen Model. Da wird auch hier und dort eine Falte retuschiert oder der Umfang verringert, was ich aber nicht schlimm finde. Ich passe das Bild der Person an, die vor mir steht. Das finde ich total legitim.“

ICH BIN SELBSTBEWUSSTER GEWORDEN

Mehr als ein reine Produkt vermittelt Katarzyna in erster Linie Gefühle, Emotionen und Freude bei Frauen und Männern, die für sie das Schönste an ihrem Job sind: „So ein Feedback zu kriegen, ist grandios, das ist toll. Gerade dieser Aspekt, dass die Mädels ein großes Stück selbstbewusster und auch größer am Ende sind, dass ich dazu beigetragen habe, denen zu zeigen, dass man unabhängig von persönlichen Makeln schön sein kann.“ Wirst du aufgrund deiner Arbeit von deinem Umfeld anders wahrgenommen? - frag ich sie - worauf sie mir eine typische Situation bei Partys beschreibt: „Sofort, gerade bei den männlichen Parts, wird man ganz anders wahrgenommen. Allein der Punkt, erst mal zu sagen man ist Fotografin – ‚Och, cool‘ – das scheint irgendwie so ein moderner, hipper Beruf jetzt zu sein. Ah ja, okay, das ist so eine Kreative, also eine Künstlerin‘. Wenn ich dann aber „Akt-Fotografie“ sage, dann merk ich sofort, wie die Ohren gespitzt werden“, erzählt sie mir lachend. Mit ihrer speziellen Wahrnehmung in der Gesellschaft kann sie allerdings gut umgehen, denn letztendlich wachsen nicht nur die Kundinnen an ihrer Arbeit, sondern sie selbst auch: „Das ist jetzt mein drittes Jahr, in dem ich selbstständig bin. In der Zeit hab ich mich auch verändert, in der Zeit bin ich selbstbewusster geworden, weil man sich immer selbst beweisen muss. Das ist echt schwierig zu lernen. Ganz ehrlich.“