STERNEKÖCHE

KEVIN FEHLING`s THE TABLE

DEUTSCHLANDS JÜNGSTER 3 STERNE KOCH TISCHT JETZT IN DER HAFEN CITY HAMBURG IN SEINEM NEUEN RESTAURANT THE TABLE AUF. ICH HABE IHN BESUCHT UND GEFRAGT, WARUM ER ALLE GÄSTE AN EINEN TISCH SETZT.

Interview: Ingo Kabutz. Fotos: © Kevin Fehling.

Im April haben wir Kevin Fehling`s Buch „PRODIGY“ aus der Edition Fackelträger vorgestellt. Seit 1. August kocht Kevin an der Shanghaiallee im Hamburger Szeneviertel Hafen City. Wir sind neugierig auf das THE TABLE. Der Namensgeber des Restaurants ist ein Tisch. Genauer: ein einzelner, geschwungener Tresen aus dunklem Kirschbaumholz, der den Gast der üblichen Konventionen enthebt und Geselligkeit sowie unterschiedliche Sitzgruppierungen ermöglicht. Kevin Fehling wirkt so aufgeräumt wie sein neues Restaurant und nimmt sich Zeit für ein auffallend ehrliches Gespräch.

KEVIN FEHLING, WIR BEFINDEN UNS HIER MITTEN IN DEINEM NEUEN REICH – DU BIST VON TRAVEMÜNDE HIERHERGEKOMMEN, UM DEN NÄCHSTEN SCHRITT DEINER PERSÖNLICHEN AUFFASSUNG VON ‚KÜCHE‘ NACHZUVOLLZIEHEN. WAS FINDEST DU HIER, WAS ES IN TRAVEMÜNDE NICHT GAB?
Zum einen ist es das Ziel, nicht nur national, sondern auch international Erfolg zu haben. Natürlich sind uns die Deutschen oder die Hamburger Gäste sehr wichtig, aber wir möchten Gäste aus der ganzen Welt begeistern. Und dafür brauchen wir ein weltoffenes Konzept – dazu gehören auch die Chess-Tables. Damit haben wir versucht, am Tresen, aus dunklem Kirschbaum, eine Wohnzimmeratmosphäre zu schaffen, die leicht luxuriös ist. Aber das Technische, die Küche, die Abläufe – das funktioniert natürlich auch. Wir hatten jetzt bereits fünf Öffnungstage und wir sind eingespielt, wie ein perfektes, kleines Ballett. Das ist hier wie im Theater, es gibt kein Wort, nur die Handbewegung.

Wir möchten Lockerheit, die Sterne sind auf den Tellern, es ist ganz entscheidend, sich darüber bewusst zu sein. Denn in der Vergangenheit haben wir im Grunde genommen immer nur das gemacht, was unsere Meister zuvor gemacht haben. Das war natürlich nicht immer alles schlecht, aber international gibt es Restaurant-Konzepte mit zwei oder drei Michelin-Sternen, die einfach Spaß machen. Da sitzt man nicht in einem Restaurant und muss sich die ganze Zeit fragen, ob man etwas richtig oder falsch macht. Ich möchte nicht, dass meine Gäste sich 20 Minuten zwischen jedem Gang anschweigen. Was ich damit sagen möchte ist, dass wir hier einfach ein bisschen Entertainment bieten. Das heißt, wir richten vor dem Gast an, wir vollenden gewisse Teller am Gast und das allerwichtigste ist, dem Gast die Angst zu nehmen, ein Spitzen-Restaurant zu betreten. Wenn er 250 oder 300 Euro für ein Menü mit Weinreise, Champagner und Digestiv ausgibt, dann soll er sich wohlfühlen.

DIESES KONZEPT DECKT SICH SEHR STARK MIT DER MISSION UNSERES MAGAZINS: WIR MÖCHTEN SCHWELLEN RUNTER SETZEN, BARRIEREN ABBAUEN UND DIE LUST IMMER WEITER AUFFÄCHERN.
Ja, ich meine, das typische Sterne-Restaurant-Ambiente kann auch etwas haben, gewisse Menschen stehen darauf. Das ist ja auch vollkommen ok. Das ist auch mein Lebensmotto – ‚Lebe die Vielfältigkeit des Lebens‘ – ich esse gerne mal eine Pizza oder Sushi, gehe aber auch in einem Sterne-Restaurant essen. Da bekommt man dann einfach das Hardcore-Programm an Fine-Dining, in Perfektion von Service, Weinauswahl und so weiter. Aber wir müssen uns von dem Gedanken frei machen, dass wenn man Küchenchef im Fine-Dining-Bereich wird, dass man diese Sachen in jedem Sterne-Restaurant erleben muss. Man kann Perfektion, Qualität und Kreativität auf den Teller zaubern, ohne, dass drum herum dieser ganze Pomp herrscht.

„Hier herrscht eine positive, lockere Stimmung, ohne Pomp. Und das macht das The Table aus“.

KANNST DU DEN PROZESS DER KOMMUNIKATION ZWISCHEN GAST UND KÜCHE BESCHREIBEN? WIE ENTSTEHT DER WOHLFÜHL-FAKTOR?
Wie gesagt, abends ist es hier wie ein kleines Theater, gewisse Dinge werden von der Küche erklärt. Wenn zum Beispiel eine Vorspeise eingesetzt wird, wird auf die geflämmte Makrele ein gefrorener Meerrettich-Staub gegeben. Das sind Elemente, die wir auch ansagen, und wenn sich Fragen ergeben, entwickelt sich zwischen den Gästen und der Küche ziemlich schnell ein Dialog, aber auch zum Service. Es soll ein Ineinanderschmelzen von Gast, Küche und Service passieren. In den ersten fünf Tagen hat das super funktioniert, wir sind angenehm überrascht, dass unser Konzept so aufgeht. Klar, das ist hier nichts für jedermann, es ist schon etwas Spezielles, aber es ist auch lockerer und kommunikativer. Wir haben durch die Form des Tisches, der sich so schlangenartig kräuselt, die Möglichkeit, Séparées zu bilden. Meine Idee hierbei war der Tisch von der Tagesschau, das war meine Inspiration. Mit dem Chess-Table-Konzept haben wir die Welt nicht neu erfunden, aber so, wie wir es machen, den Gast in einem Ess- oder Wohnzimmerbereich sitzen und ihn in die Küche blicken zu lassen, ist es schon etwas anderes. Je nachdem, wie weit wir die Tische verschieben, können die Gäste teilweise knapp einen Meter voneinander entfernt sitzen, das passt perfekt. Trotzdem haben wir dieses Thekensystem, wie es an der Sushi-Theke klassisch ist – da sitzt man wirklich direkt nebeneinander. Im oberen Bereich haben wir eine Lounge, dort wird aber nicht gespeist, eine Bar wird noch integriert.

ZU EUREM KÜCHENKONZEPT – ES WIRD GEKOCHT, ABER DER GAST KANN NICHT GENAU ERKENNEN, WIE UND WAS GEKOCHT WIRD, RICHTIG?
Ja, genau. Das Anrichten ist ein ganz großer Prozess, am Abend sind es etwa dreieinhalb Stunden, in denen wir kontinuierlich nur Teller anrichten, und es ist zu sehen, wie diese Architektur auf dem Teller stattfindet. Das ist natürlich aufregend. Der Gast kann ganz entspannt hier sitzen und zuschauen, wie wir die Gerichte zubereiten. Das darf nicht zu verkopft sein und soll natürlich nicht in Richtung Kochkurs gehen. Zur Philosophie unseres Küchenkonzepts – wie erwähnt, haben wir eine sehr weltoffene Küche, die sich nicht auf Regionalität reduziert. Wenn ich mich in einem Radius von 50 oder 100 Kilometern in der Produktauswahl einschränken müsste, würde mich das in meiner Kreativität einschränken. Ich koche einfach gerne weltoffen, gehe auch mal in die nordafrikanische Gewürz- oder Ölriege, manchmal gehe ich auch in die indische Richtung, oder es kann auch ein deutscher Klassiker sein wie Eisbein mit Sauerkraut. Den gestalten wir dann neu, zum Beispiel mit einer Auster, setzen damit einen Kontrast. Dazu geben wir dann unsere gefrorenen Senfperlen, das ist ein Klassiker von uns, womit wir auch unsere drei Sterne bekommen haben.

WELCHE IDEE STECKT HINTER EUREM KONZEPT?
Die Idee war es, dem Gast etwas Weltoffenheit zu bieten – gerade hier in Hamburg, dem Tor zur Welt. Außerdem haben wir eine sehr gute Küchenstilistik, wir beschreiben sie immer als eine sehr weltoffene Küche. Wir betiteln sie so, weil es ein kontinuierlicher Prozess ist, zum einen immer besser werden zu wollen, vielleicht nicht unbedingt der Beste, sondern für uns selbst unsere Handschrift tagtäglich zu verfeinern und zu verbessern. Wir lernen jeden Tag dazu und versuchen uns an dem derzeitigen Menü zu festigen aber auch das nächste schon zu kreieren. Während wir das eine Menü kochen, kreieren wir das neue, entwickeln Rezepte und Gerichte. Somit haben wir die Möglichkeit, dass wir unseren Gästen jeden zweiten Monat ein komplett neues Menü servieren.

Ich möchte das kreieren, was mir gerade einfällt – das kann auch ein Hummer Thermidor sein, den wir komplett neu darstellen. Dabei geht es nicht nur ums Konstruieren und auf Teufel komm raus etwas Neues zu schaffen, sondern die Welt bietet so viele unterschiedliche Fleisch-, Fisch-, Krusten-, Schalentiere und Farben, auch Inspirationen, Formen und Düfte, da möchte ich mich nicht einschränken. Es ist einfach unheimlich interessant, auch wirklich den ganzen Planeten zu nutzen – aber immer unter dem Vorbehalt, und das ist ganz wichtig, dass es unsere Stilistik hat. Es hat alles den Grundbaustein der klassischen französischen Küche, aber wir modernisieren gerne und kochen doch eher kreativ, versuchen Gerichte zu kreieren, die es so auf dem Planeten noch nicht gab.

EINZIGARTIGE GERICHTE FÜR MEHR AUTHENTIZITÄT

GAB ES FÜR DAS RESTAURANT-KONZEPT IRGENDWELCHE VORBILDER?
Vorbilder habe ich ehrlich gesagt keine. Es geht bei diesem Restaurantkonzept im Grunde genommen nur darum, das, was in mir drin ist, herauszulassen. Wenn wir das gleichsetzen mit internationalen Sterneköchen, wie zum Beispiel einem Ferran Adrià oder Andoni Luiz Aduriz – das sind alles Menschen, die zwei oder drei Sterne haben und die in der Spitzengastronomie weltbekannt sind. Und das sind sie, weil sie wirklich ein einzigartiges Konzept haben. Wir haben hier das Ziel, so authentisch wie möglich zu wirken – dass man sagen kann: das ist nur Kevin Fehling. Ich habe keinen Geschäftsführer oder Sponsor, der glaubt, das Restaurant sei sein Wohnzimmer und er könne seine eigenen Bilder oder Vorhänge aufhängen. Das ist hier zu 100% Kevin Fehling, und darum geht es auch, um damit international anerkannt zu werden. Das kann nur der Fall sein, wenn alles so authentisch wie möglich ist.

ALSO RESPEKT DAFÜR! ES GIBT VIELE TOP-KÖCHE, DIE GESPONSERT WERDEN UND ANSONSTEN AUCH ÜBERHAUPT KEINE CHANCE HÄTTEN. UND DAS IST BEI DIR DEFINITIV NICHT DER FALL?
Ich musste das wirklich schon einhundertmal sagen, mittlerweile habe ich darin Routine. Ich habe einfach ein paar Jahre gespart, vorher habe ich nicht so schlecht verdient, und ich kann, glaube ich, ganz gut wirtschaften. Bei der Wirtschaftsförderung Hamburg habe ich einen Kredit beantragt und auch zugesprochen bekommen. Das Investitionsvolumen ist nicht so hoch, dass ich mir irgendwann mal einen Strick nehmen müsste, falls es nicht funktioniert. Auf gewisse Dinge haben wir aber auch verzichtet, wir haben kein Silber-, sondern Kupferbesteck. Außerdem haben wir auch die Personalkosten gesenkt, wir arbeiten nur mit drei Kellnern, die Wege im Restaurant sind nicht mehr so weit. Und es muss nicht mehr den ganzen Tag gesilbert und poliert werden. Wir haben auch keine Tischdecken – Tischdecken sind in der Spitzengastronomie ein ganz großes Thema. Erstens muss man ein Riesenglück haben, überhaupt eine Wäscherei zu finden, die dir die Wäsche liefert, die du bestellt hast. Da ist eine Stunde Aussortieren schon vorprogrammiert, dann muss man Stornos und Reklamationen schreiben. Die Tischdecken müssten etwa drei Stunden gebügelt werden, an den Seiten zusätzlich mit einem Dampfbügeleisen. Und dann würde diese ganze Silber-Arie anfangen, Vasen werden gesilbert, Kerzenständer und das Besteck, und danach wird alles poliert. Heißt, man macht eigentlich den ganzen Tag nichts anderes als silbern. Es sieht natürlich schön aus, aber wir haben uns für Kupfer entschieden, weil wir hier auch viele Kupferelemente haben. Wir arbeiten viel mit dem Kupferton, das passt gut zu dem Kirschbaumbraun und den Beige- und Grautönen. Wir haben auch keinen Weinkeller, in dem der Wein vor sich hin reift und der 250.00 Euro gekostet hat. Wir haben zwischen 100 und 120 Positionen Wein, und die passen in unsere KühlschränkWir verkaufen zu unseren Menüs über 90% Weine. Wir definieren uns ganz klar über das, was auf dem Teller ist, und über die Atmosphäre, dem Konzept und die Menschen, die hier arbeiten. Das sind alles Mitarbeiter von mir aus Travemünde, die mir hierher gefolgt sind, und nicht nur beruflich, sondern auch privat viel Aufwand auf sich genommen haben. Wir sind schon ein Dreamteam, wie eine kleine Familie. Hier weiß jeder, was er zu tun hat, und deshalb war es vom ersten Tag an ein perfekter Ablauf.

DREI STERNE, AUCH OHNE SILBER

DU SAGTEST, IM KERN IST DAS SCHON NOCH FRANZÖSISCHE KÜCHE – SIEHST DU DICH IN DER TRADITION VON PAUL BOCUSE UND ECKART WITZIGMANN?
Auf jeden Fall. Also Witzigmann darf ich mittlerweile auch als einen Freund bezeichnen – ein toller Koch und ein toller Mensch! Damit hat alles angefangen. Ich denke auch, dass wir in Deutschland eine Esskultur haben, aber die ist nicht so stark wie zum Beispiel in Spanien oder Frankreich. Wir Deutschen verändern uns gerade, das Interesse an Kulinarik wird immer größer. Aber wie gesagt, durch unser Konzept versuchen wir, den Gast einfach auch mitzunehmen und ihm eine lockerere Atmosphäre zu geben.

Alles hat seinen Ursprung und sein Fundament, und nicht alles ist schlecht, was mal war. Ich brauche heute keinen Rotationsverdampfer, um eine Jus zu kochen. Wir versuchen schon, moderne Küchentechniken einzusetzen, wir haben alle modernen Küchengeräte, die es so gibt, alles hat seine Berechtigung, aber es muss ein roter Faden im Menü zu erkennen sein. Die Hauptaussage des Ursprungs in der französischen Küche lautet: Qualität und Geschmack. Das bedeutet nicht nur genug Salz oder genug Pfeffer, sondern im Mund Explosionen zu erzeugen, die der Gast vorher noch nicht erlebt hat. Man kann durch visuelle Effekte auf dem Teller natürlich viel erzeugen, das machen wir auch gerne, aber das Allerwichtigste ist - und das ist das Nachhaltigste: wenn ein Gast etwas in den Mund steckt und er die Augen aufreißt.

WIR HABEN JETZT VIEL ÜBER ‚WORK‘ GESPROCHEN. WAS VERSTEHST DU UNTER ‚LEBEN‘ AUSSERHALB DES BERUFES? ODER VERSCHMILZT DAS SO INEINANDER, DASS ES KEINE TRENNUNG GIBT?

Es gab definitiv eine deutlichere Trennung, als ich noch nicht selbstständig war. Jetzt bin ich selbstständig, da kommen ganz andere Aufgaben auf einen zu, nicht nur das Team-Building und die Führung, sondern auch einiges an Büroarbeit. Früher war es nur kreativ und abends Spaß beim Anrichten, heute ist es natürlich ein bisschen mehr. Aber den Ausgleich finde ich durch meine Kinder, die sind fünf Monate bzw. vier Jahre alt.

MIT DEINER EHEFRAU UND DEINEN BEIDEN KINDERN LEBST DU HIER IN HAMBURG?
Genau, wir leben in Braak, das ist bei Stapelfeld auf‘m Dorf. Aber das ist auch gezielt so, ich möchte, dass die Kinder etwas ruhiger aufwachsen. Ich meine, wenn man sich in den Bus setzt, ist man ja in zehn Minuten in der Stadt. Ich finde es schön als Rückzugsort, auf ein Feld zu blicken. Wir haben eine tolle Erdgeschosswohnung in einem ganz tollen Haus, mit einem großen Garten. Es ist jede Menge Action zu Hause, wir haben auch einen Labrador, das macht einfach ganz viel Spaß – langweilig wird es da nicht. (lacht)

KEVIN, ICH DANKE DIR SEHR FÜR DAS GESPRÄCH.

THE TABLE
Öffnungszeiten September: Mittwoch bis Samstag 19:00 und 20:00 Uhr. Samstag und Sonntag 12:30 Uhr. Montag und Dienstag Ruhetag.

Shanghaiallee 15
20457 Hamburg
Phone: +49.(0)40.22867422
www.thetable-hamburg.de