PURE LEBENSLUST zu Gast bei zwei Spitzenköchen, die sicherlich in die Liga der außergewöhnlichen Köche gehören. René Kalobius und Ramin Homayouni sind echte Food Rebel. Denn sie brechen mit bestehenden Konventionen, sprengen ihre eigenen bisherigen Grenzen und folgen neuen Regeln. Ihre Arbeitsplätze und Genießer-Zielgruppen könnten unterschiedlicher nicht sein: René Kalobius (links) kocht täglich auf Sterne-Niveau in der Westfälischen Stube/Parkhotel Surenburg in Hörste-Riesenbeck. Ramin Homayouni (rechts) kochte lange in Sternerestaurants, bevor er vor acht Jahren Küchenchef der St. Elisabeth Gruppe in Herne wurde und sich der Revolutionierung der Krankenhausküche widmete. Heute bringt Ramin Homayouni mit seinem Team täglich ca. 4.500 Essen auf leckerem und gesunden Gourmetniveau auf die Teller und demokratisiert somit ein Top-Niveau der gehobenen Küche – auch für Patienten in Krankenhäusern. Ihre gemeinsame Foodrevolution richtet sich gegen Eintönigkeit und mangelnde Frische auf dem Teller. Und beide treten ein für überraschende Kreationen, Zutaten und Aromen sowie für ausnahmslos hochwertige Produkte, deren Herkunft und Produkte klar sind.
René Kalobius, geboren in Düren, kocht in der Westfälischen Stube/Parkhotel Surenburg in Hörste-Riesenbeck. 2016 wurde er mit einem Stern des Guide Michelin ausgezeichnet. Nach seiner Ausbildung und verschiedenen Stellen in Deutschland arbeitete René Kalobius in Hotels und Restaurants in Teneriffa, Indonesien, Namibia und in Costa Rica. Zusätzlich erfindet er eigene TV-Kochshows, arbeitet als Foodfotograf, gastronomischer Berater und Autor. Seit 2015 ist René Kalobius Küchendirektor im Parkhotel Surenburg. Dafür verließ er sein Landgut mit Gastronomie in der Toskana. Nach wie vor produziert er mit seiner Ehefrau Gilla Neufend-Kalobius in der Toskana hochwertiges Olivenöl, Seit 2016 ist er Mitglied bei der Chaine des Rôtisseur als Maitre Rôtisseur.
Der studierte Betriebswirt Ramin Homayouni verließ vor 8 Jahren seine Stelle als Küchenchef eines Top-Restaurants, um Krankenhauskoch zu werden. Genauer gesagt: Der leidenschaftliche Gastronomiespezialist übernahm die Gesamtleitung des Verpflegungsmanagements der St. Elisabeth Gruppe - Katholische Kliniken Rhein-Ruhr, die Kliniken, Kindertagesstätten und Cateringorganisationen betreibt. Dort rebellierte Ramin Homayouni von Beginn an gegen die landläufige Konvention, „dass man Krankenhausküche nunmal nicht viel besser machen kann“. Diese Konvention stellt sich mittlerweile als Alibi heraus. Denn der Schwabe bewies, dass es geht: Er revolutionierte nahzu alle gewohnten Regeln bezüglich Zutatenfrische und -qualität, sowie Großküchenprozesse, verkleinerte sein Lebensmittellager auf wenige Quadratmeter und castete Lieferanten, die täglich frische, gesunde und leckere Lebensmittel bester Qualität, besondere Aromen und völlig neue Ideen - auch für große Gemeinschaftsverpflegungskonzepte - ermöglichen. Zusätzlich entwickelte Ramin leckere Lebensmittel-Eigenmarken, die mittlerweile auch „außer Haus“ erhältlich sind. Mit dieser Revolution hat Ramin Homayouni und sein Team ein kulinarisches Wunder vollbracht: Seit Jahren schon genießen nun seine täglich ca. 4.500 „Patienten-Gäste“ in den Krankenhäusern sowie Kinder in den Tagesstätten der St. Elisabeth Gruppe ihre Mahlzeiten auf Gourmetniveau. Und zwar für Alle und nicht nur für Privatpatienten. Chapeau!
Ingo: Mal vorab gefragt… was habt Ihr beiden gedacht, als wir (die Pure Lebenslust-Redaktion, a.d.R.) bei Euch angefragt haben, ein gemeinsames Interview zu machen?
René: Als ich die Anfrage bekommen habe, fand ich das super spannend und ich habe sofort zugesagt, weil ich so eine Art von Interview noch nie gehabt habe. Es hat mich sehr neugierig gemacht. Vor allem mit dem Wissen, dass Ramin auch viel im Fine Dining Bereich und in der Sterne Gastronomie gekocht hat. Und einen ehemaligen, in der Sterneküche tätigen, Koch zu sehen, der in einem Krankenhaus kocht, fand ich sehr spannend. Wie kommt man auf die Idee aus dieser Maschinerie der Sternegastronomie auszusteigen, wo man ja viel Ruhm und Ehre erntet und womit man sich vielleicht auch mal ganz gerne schmückt. Dann zu sagen, ich mache hier einen Cut, gehe einen anderen Weg und bin jetzt mit Herzblut und Leidenschaft im Krankenhaus tätig. Das ist schon krass.
Ramin: Ruhm und Ehre ist eben nicht alles auf der Welt. Zum einen hat die Familie zu der Entscheidung mit beigetragen. Und mit der Idee im Krankenhaus, bzw. in der Großverpflegung zu arbeiten, ist natürlich auch mit einher gegangen, dass geregelte Arbeitszeiten dahinter stecken. Man ist nicht mehr jede Nacht bis was weiß ich unterwegs. Du stehst nicht bis abends um elf am Herd. Wir wissen beide wie stressig der Job ist. Das hat mit Sicherheit dazu beigetragen. Aber: Ich wollte immer einen Job haben, wo ich beides miteinander verbinden kann. Einmal den Spaß bei der Arbeit, die relativ geregelten Arbeitszeiten, und das ich mich austoben kann. In diesem speziellen Betrieb war es eben so, dass wir einen großflächigen Bereich abdecken. Eine Großküche, einen Bankett-, einen Veranstaltungs- und Cafeteria-Bereich, ach ja und einen Kindergarten. Das sind so brutal vielseitige Möglichkeiten. Ich habe das Angebot gesehen, und gedacht: Okay, dass möchte ich mal ausprobieren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon soviel gemacht, hatte schon so viele Betriebstypen ausprobiert. Aber im Krankenhaus noch nie. Ich habe es nicht bereut.
Ingo: Ok, das klingt plausibel? Und wie hast Du mit Deinem Team dann die Krankenhausküche revolutioniert?
Ramin: Wir machen nichts besonderes. Wir sind ein Krankenhaus und wir probieren, etwas Gutes zu machen.
René: Nein, ihr versucht das nicht – ihr macht etwas Gutes. Das ist der Unterschied. Versuchen bedeutet: „Naja mal schauen ob es klappt. Meiner Meinung nach kommt euer Konzept dem Heilungsprozess zu Gute. Wenn ich mich wohlfühle, kann ich auch besser heilen. Bei euch habe ich ja gar nicht das Gefühl, im Krankenhaus zu sein. Als ich das Zimmer gesehen habe, hatte ich das Gefühl im Hotel zu sein. Da ist ja Krankheit mit Wellness-Programm gleichzusetzen. Bei „Allerweltsgeschichten“ wie Leistenbruch und Co. kann man so ein Zimmer richtig genießen. Da kann man auch mal zwei Tage länger bleiben.
Ingo: Einen Tag später war ich ja nochmal da und habe Fotos gemacht. Und nochmal war ich beeindruckt. Natürlich ist es eine Krankenhausküche und es werden Mengen hinausgeschoben. Aber ich habe die fertiggestellten Tabletts fotografiert und die Vorbereitung und das Abschmecken der Gerichte mitbekommen. Das sieht in dem Moment im Ausschnitt nicht viel anders aus als in einer Gourmetküche. Es wurde auf hohem Niveau mit Kräutern abgeschmeckt. Hinterher wird das dann im Prozess multipliziert. Oder sehe ich das falsch?
Ramin: Das ist genau richtig.
Ingo: Wie verknüpft man das was Ihr 4500 Mal am Tag an Essen hinausschiebt, mit dem was Ihr bei dem Shooting ausschnittsweise als echt gourmetlike habt zeigen können?
Ramin: Da gibt es nichts zu verknüpfen. Das ist Realität und das läuft jeden Tag so. Da war nichts gefaked, das ist der ganz normale Ablauf.
Ingo: Das heißt, während die vielen Essen immer wieder multipliziert werden, wird immer wieder abgeschmeckt.
Ramin: Genau, das ist ein ständiger Prozess.
Ingo: Das heißt, ihr integriert Gourmetküche tatsächlich im Massenprozess.
Ramin: Das wir nicht ständig auf dem Niveau arbeiten, wie der René das macht, ist glaub ich verständlich in der Masse. Aber wir probieren, das Beste herauszuholen.
René: Du kannst Frikadellen scheiße machen und Du kannst Frikadellen lecker machen. Es geht nicht darum, dass man „Gourmetküche“ kochen muss. Man muss darauf achten, dass die Sachen einfach lecker sind. Der Gast oder Patient soll ein einladendes Gericht vor sich haben, auf das er Bock bekommt zu essen. Darum geht es. Wenn die Zutaten qualitativ gut sind, ist es egal ob ich einen Hummer oder eine Frikadelle mache.
Ingo: René, was hast Du erlebt wenn Du auf unseren Besuch in der Krankenhausküche von Ramin zurückblickst?
René: Ich bin ohne zu übertreiben absolut geflasht gewesen und bin es jetzt noch. Das war mein erster Besuch in einer Krankenhausküche. Es ist ja nicht so einfach, überhaupt dort hineinzukommen, mit Hygienevorschriften und Schutzanzug, was auch vollkommen richtig ist. Ich habe das Menü des Tages, das ja ca. 4500 mal rausgeschoben wird, auch nicht nur gekostet, sondern ich habe es studiert und war tatsächlich absolut begeistert. Auch der Besuch in der Cafeteria war für mich total flashig. Es war dort richtig Action bei den Leuten, die super frische Burger zusammen gebastelt haben. Ich habe junge, motivierte Leute gesehen, denen man die Freude an dem was sie tun, angesehen hat. Das fand ich toll! Das hatte für mich nichts mehr mit irgendeiner Kantine zu tun. Das war einfach ein modernes Selbstbedienungsrestaurant auf sehr, sehr hohem Niveau. Ich habe meinen Jungs in meinem Restaurant erzählt: „Hömma, ich hab Gulasch im Krankenhaus gegessen. Alle Achtung, das war grosses Kino! Von der Konsistenz des Fleisches her, vom Geschmack. Klasse, ohne zu übertreiben. Summa summarum: Da gehen Welten auseinander. Man kann es richtig und man kann auch grundsätzlich alles falsch machen.
Ingo: Ich möchte ein kleines Zwischenfazit ziehen. Ihr habt eben den Begriff Food Rebel genannt. Rebellion heißt ja, sich gegen etwas aufzulehnen. Das ist im Prinzip eine Revolution. Und sie sagt zu bestimmten Sachen „Nein“, um andere Sachen richtig zu machen. Was heißt also für Euch „Food-Rebellion“?
René: Ramin ist für mich ganz klar ein Food Rebel, weil er brutalst gegen schlechten Geschmack und schlechte Qualität ist und dieses Prinzip dort anwendet, wo es am schwierigsten ist. Man rennt in einigen Institutionen sicherlich erst mal gegen Wände, wenn man etwas anders machen will. Die Leute fragen sich: „Was kommt da jetzt für ein Spinner?“
Ramin: Genau gegen das, was René gesagt hat, rebelliere ich. Wir wollen es anders als andere machen, weil ich weiß, dass man es anders machen kann!
René: Der Unterschied ist, er sieht die Patienten nicht als Patienten…
Ramin: …sondern als Gäste. Ganz genau. Das ist ganz entscheidend. Und wir heben uns von den andern ab, weil wir auch noch diverse andere Veranstaltungen machen und nicht sagen: Das muss ein Caterer machen.
René: Er hat auch eine Ausstattung wie im Gourmetrestaurant. Erkläre mal dem Betreiber, dass man Geräte braucht, die 400.000 Euro kosten. Die Küche ist vollgestopft mit Hightech Geräten auf dem neusten Stand. Er arbeitet mit Induktion, Sous-Vide und Paco Jet, modernste Technik wo man hinschaut, von den Kippbratpfannen angefangen bis hin zu den Convectomaten. Also ich habe nicht so einen Kipper. Wenn er meinen sieht dann lacht er.
Ramin: Wir haben halt den Auftrag eine bestimmte Menge an Menschen zu versorgen. Und da brauche ich die Technik, um das in der verfügbaren Zeit abarbeiten zu können. Mit alter Technik, bekommt man das nicht hin.
René: Wir sitzen in der Westfälischen Stube. Wenn man sich mal umschaut, merkt man schnell den Unterschied zu unserem á la carte Restaurant. Das ist wesentlich vornehmer eingedeckt. In der Westfälischen Stube haben wir blanke Tische, obwohl wir hier Sterneküche machen. In keiner Abteilung wird man 76 Besteckteile und 15 Gläser finden, bei denen man Angst bekommt. Das soll auch jeder machen wie er möchte, ich habe das aber für mich so entdeckt und mit der Geschäftsführung damals gesprochen. Ich bin froh, dass sie sich auf dieses Experiment eingelassen haben, das war auch ein bisschen „Rebel sein“. Ich wollte ein anderes Konzept als mein Vorgänger.
Ingo: Also Sterneküche aber geerdet?
René: Ja! Die Tische werden nur ein Mal gedeckt am Abend und alle Gänge kommen zeitgleich raus. Wie eine Gala. Der Hintergrund ist folgender: Ich sehe mich extrem als Gastgeber. Das heißt wenn alle Gäste dort sind gehe ich raus und begrüße jeden Gast am Tisch einzeln und stelle mich vor. Ich möchte Gesichter sehen und für Menschen kochen, denen ich mal in die Augen geschaut habe. Ich will keine Nummern sondern Menschen. Für mich hat auch der Gast das Recht zu sehen, was das für ein verrückter Vogel ist, der für mich kocht. Ich habe im Laufe des letzten Jahres gelernt, dass ich damit ganz viel Eis brechen kann. Man hat auch Leute dabei, die zum ersten Mal „Sterneessen gehen“. Sie wissen nicht, was einen erwartet oder wie sie sich benehmen sollen. Sie sollen reden und lachen und Spaß am Abend haben. Ich begleite meine Gäste den ganzen Abend hindurch. Zu jedem Gang gehe ich raus und stelle auch Gerichte selber mit an den Tisch. So wie ein Gastgeber das eben macht. Ich erzähle etwas zu den Gerichten, was auch unterhaltsam ist und einen Entertainment-Faktor hat. Also: Ein Menú – keine Wahl, keine Qual. Wenn hier der Notstand ausbricht und alles überrannt ist, kann ich das Menú so auch alleine hinaus jagen. Nur beim Dessert brauche ich eine Hand. Weil… das kann ich gar nicht. Ich bin bekennender Dessertlegasteniker.
Ingo: Wie pünktlich müssen Deine Gäste sein?
René: Zehn Minuten vor dem Essen. Ich brauche Pünktlichkeit. Das ist einfach so. Es laufen Dinge und Prozesse ab, da ist das für mich extrem wichtig. Auch für den Gast selber ist es wichtig. Die Deutschen sind ja bekannt für ihre Pünktlichkeit, dann kann ich das auch von meinen Gästen erwarten.
Ingo: Ramin, aber welcher Koch, welcher Gastronom setzt das schon durch?
Ramin: René (lacht)! Ich finde es ganz hervorragend, dass er das so macht. Da muss man auf jeden Fall „Eier in der Hose haben“. Das macht nicht jeder. Wenn ich mir die Westfalen Stube anschaue, das ist schon etwas Besonderes. Ich habe ja vorhin schon gesagt, ich möchte hier gerne mal ein Wochenende verbringen und mir mit meiner Frau den Genuss antun. Ich finde es super wie er das macht, und er soll sich seiner Linie absolut treu bleiben.
Das findet man nicht überall.
Ende März fand der Concours des Jeunes Chefs Rôtisseurs auf dem wunderschönen Gut Havichhorst in Münster statt. Das Parkhotel Surenburg wurde hier von Oliver Jacoby vertreten. Aus dem vorgegebenen Warenkorb kochte Oliver Jacoby: Gebratener Knurrhahn an Avocadocreme mit Tobinamburpüree und mariniertem Fenchel / Sous Vide gegartes Maishähnchen auf cremiger Polenta mit Sellerie an geschmorten Tomaten & Kartoffelschaum / Duett von weißer Schokolade mit Ananasragout & Mangogel. Das Menü überzeugte die sechsköpfige Jury aus Fachleuten und Genießern. Oliver Jacoby konnte sich den ersten Platz des Concours der Bailliage Westfalen-Lippe sichern. Herzlichen Glückwunsch! Eine klasse Leistung!
Nun geht es für Oliver Jacoby Anfang April nach Frankfurt am Main. Im Hotel Hessischer Hof findet dann die deutschlandweite Ausscheidung statt. Hier wird er gegen die Sieger der übrigen 19 Bailliagen antreten. Der Sieger des nationalen Concours tritt dann im Sommer beim Internationalen Concours der Chaîne des Rôtisseurs an. Drücken wir Oliver Jacoby die Daumen!