Autorin: Romina Kabutz
Digital Nomad: Romina Kabutz
Wikipedia verrät uns: „Als Nomaden (altgr. „weidend“, „herumschweifend“) werden im engeren Sinn Menschen bezeichnet, die aus ökonomischen Gründen eine nicht-sesshafte Lebensweise führen...“
Soweit, so gut. Auch wenn die Ortswechsel des Nomaden der Neuzeit eher selten ökonomischer und weit häufiger explorativer Natur sind, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Und sei es nur, um in unserer jungen Kultur einen Blick für die Ereignisse zu entwickeln, die ihre Vorgänger zuerst durch große Nöte und später in die betonierten Vorstädte, den Takt der Zivilisation und die neonbeleuchtete Bürozelle katapultiert haben. Seit gerade mal 5.000 Jahren siedelt ein Großteil der Menschen dauerhaft an festen Orten. Seit 5.000 Jahren umgeben wir uns mit Habe und verschiedenen kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Rahmen, die teils selbst gemacht, teils organisch gewachsen, unser Leben leiten, begrenzen, bestimmen. Dagegen stehen über 2.000.000 Jahre Nomadentum. Ist der Wunsch, neue Lebensräume zu erobern, zu reisen und zu entdecken vielleicht nichts weiter als ein Zeugnis unserer konditionierten Genetik? Und was entwickelt sich aus unserer noch jungen Kultur, wenn wir nicht sehr sorgsam auf sie Acht geben?
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Maximale Freiheit fordert maximale Selbstdisziplin. Wer keine Struktur vorgegeben bekommt, muss sie sich erschaffen. Das ist gar nicht so leicht, weiß auch Tim Chimoy, Begründer des Blogs Citizencircle, einer Online Community für die Szene. Um sich in der Freiheit nicht zu verlieren rät er zu einem geregelten Tagesablauf, egal wo man sich aufhält. „Routinen im Kleinen, Abwechslung im Großen“. Auf Citizencircle verwirklicht er seine Vision. Er hilft mit vielen Tipps anderen Menschen ihr Leben frei zu gestalten. Eine Gemeinschaft für Querdenker. Chimoy schildert in seinen Artikeln auch seine eigene Achterbahnfahrt als ortsunabhängiger Unternehmer. „Viele gehen anfänglich davon aus, dass sie ihren grauen Alltag hinter sich lassen und in eine Welt voller Regenbögen und Einhörner eintauchen. So ging es mir auch.“ Er erzählt, wie man aber nicht nur seinen Laptop mit nach Hawaii nimmt, sondern auch alle Ängste und Sorgen. Altersvorsorge, Deutsche Meldepflicht, Steuern, Auslandskrankenkasse, und Existenznöte sind nur für eine gewisse Zeit zu verdrängen. Auf der dunklen Seite sehe man „Nomaden die so viel arbeiten und reisen, dass man sich fragt, wann der erste Herzinfarkt kommt. Deren soziale Kontakte sich auf Facebook und Tinder beschränken und die ihre Aufenthaltsorte wie McDonald-Menüs konsumieren. Nomaden, die ihre innere Ruhe völlig verloren haben und wirken, als wären sie auf Speed. Getriebene, Mittellose, Heimatlose. Aber natürlich stehen diesen auch Glückliche, Selbstbewusste, in sich Ruhende gegenüber. Alles vertreten. Wie im wahren Leben!
„Mehr Freiheit, ja, die gibt es. Aber sicher nicht weniger Probleme. Ortsunabhängigkeit ist nur eine größere Leinwand. Mehr Platz für deine Ideen und Träume. Aber das Bild, das musst du immer noch selbst malen.“ (Tim Chimoy)
Auch der 36 Jährige Kanadier Jesse hat sich sein Leben so zusammen gebastelt wie es ihm gefällt. Seit einem halben Jahr mietet er sich mit seinem Kumpel aus der Heimat eine Villa mit Pool, direkt an der Südküste Mexikos. In Vancouver bekämen sie für das gleiche Geld eine 2.5 Zimmer Wohnung. Abends können sich die beiden nicht entscheiden auf welchem ihrer sechs Balkone sie den spektakulären Sonnenuntergang und ihre Frozen Margarita genießen sollen. Sie grinsen sich an, fühlen sich wie die kleinen Könige. Jesse verdient sein Geld indem er Leuten beibringt wie sie Web Applicationen entwickeln. Er wirkt dabei kein Stück wie ein unruhiger Nomade: „Meine Arbeitstage sind Montag, Mittwoch und Freitag. Mehr als 20 Stunden die Woche mache ich nicht“, erzählt er. „Es ist ein Traum, aber man muss sich auch genau überlegen welche Fähigkeiten man hat, für die dich jemand bezahlt.“ Der halbjährige Kurs ist in der Branche teilweise mehr wert als ein Uniabschluss. Seine Schüler trifft Jesse via Skype. New York Dollars rein, Mexikanische Pesos raus. Was kostet die Welt. Manchmal fahren sie Schildkröten und Wale gucken, hängen am Pool, knallen Raketen in die Luft, basteln Kratzburgen für die zwei Katzen. Der Granittisch im Wohnzimmer wird zur Tischtennisplatte. „Mein Mitbewohner und ich sind beide single und haben keine Verpflichtungen. Wir haben keine Schulden, keine Häuser die man abbezahlen muss, keine Familie. Wir haben unser Leben nach maximaler Flexibilität und Freiheit designed. Das ist nichts für jedermann.“ Jesse hat keine mexikanische Aufenthaltsgenehmigung und muss wie die meisten Nomaden alle paar Monate ausreisen. „Das wird sich nie 100% nach Zuhause anfühlen“, sagt er. Außerdem vermisse er seine Familie. Wenn er auf das Leben seiner alten Freunde schaut, findet er sich dort nicht mehr wieder. Zuhause stagniert das Leben, während er sich jedes Mal komplett anders fühlt wenn er von einer langen Reise wieder kommt. „Du veränderst dich auf Reisen, bekommst andere Perspektiven auf die Dinge und erweiterst deinen Horizont.“ So frei das Nomadentum auch ist, früher oder später freuen sich die meisten immer Mal anzukommen. Egal wo, egal für wie lange. Einen Hafen ansteuern, der ein Gefühl von Heimat vermittelt. Im Moment sucht Jesse nach günstigem Land, um zu bauen, eine Weile zu bleiben. Auch Tim Chimoy wählt seinen Standort nicht mehr nach sonnigem Wetter und Anzahl der Coworking Spaces aus, sondern nach wertvollen Beziehungen, die er dort zu Menschen hat. Ramonas Anker liegt zurzeit wieder in Alaska. Zumindest für drei Monate. Dann geht es kurz nach Hamburg, Italien, zurück nach Indien und danach ist ein längerer Südostasien Trip geplant. „Ich habe in der Ferne ein Zuhause gefunden, vielmehr als in Hamburg. Meine Aufenthaltsorte sind immer wieder andere und die Magazine für die ich male sind schnelllebig. Aber wenn mich Leute anschreiben, weil ich sie mit meinen Bildern berührt habe, das ist beständig.
Quelle: Andreas Büter „Citizen Circle - Lebe und arbeite nach deinen eigenen Regeln“
www.citizencircle.de